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RE: Ich, die Nulpe

#1 von Karl Ludwig , 19.07.2017 07:42

Die Welt versteht mich nicht, was wohl auf Gegenseitigkeit beruht, und uns somit in gewisser Weise mit einander verbindet. Wie einem Beichtvater, der die Seelenhygiene in Gottes Namen versucht, erzähle ich der Tastatur von meinem Dilemma: Ich kann nicht schreiben, wie es ist!

Geht jemand etwa in ein Theater, um sich eine Aufführung anzutun, in welcher die Schauspieler lamentierend ihre Unfähigkeit bekunden, überhaupt schauspielernd dem Leben einen Spiegel vorhalten zu können. Dumme Frage. Vermutlich gibt es so ein experimentell avantgardistisches Stück schon längst, aber bis auf einige Kritiker hat das bislang noch niemanden gestört.

Mich aber stört meine Unfähigkeit, wirklich hinzuschreiben, was ich erlebe, denke und fühle. Was ich rauslasse ist immer geschönt, klingt immer bemüht und etwas spannender, lustiger, mich mehr aufwertend, als es der Wahrheit entspricht - und ist fast immer leicht daneben geschossen.

Hemingway: Schreibe einen wahren Satz!

Habe ich gerade. Und? Wahre Sätze bekomme ich schockweise ausgeschwitzt: Die Liebe ist ein Hammer. AhQuadratPlusBehQuadratGleichCehQuadrat. IsAllesSchonKomisch!

Nur! Diese Sorte Wahrheit meine ich nicht.

Sondern (willkürliches Beispiel)! Wieso kommen fast alle Menschen, die ich kenne – und da sind jede Menge 'Normale' bei – nur klar, wenn sie entweder Saufen, Kiffen, Psychopharmaka schlucken, Schmerzmittel futtern oder sich auf eine absurde Weise asketisch abstinent benehmen, die ich nur als verbohrtes Ersatzbeten bezeichnen kann. Unter den VW-Mitarbeitern kursieren Tillidin-Retard-Pillen während den Pausen. Gesoffen wird von fast allen – außer von mir und den werdenden Müttern. Gefühlte 40 % würden saufen, wenn sich das mit den psychoaktiven Substanzen vertragen würde, die sie schlucken müssen um nicht nackt in den Straßen zu tanzen. Schlappe 20 %, wovon ich den Großteil repräsentiere, kiffen und sind auch gelegentlichen den härteren Drogen gegenüber durchaus nicht unaufgeschlossen (ähem).

Könnte es sein, dass der Mensch als solcher nicht für eine Welt geschaffen wurde, die er sich geschaffen hat?

Ja und? Was aber ist mit mir persönlich?

Wie soll ich meine, sich ständig ändernden Wahrnehm- und Schlussfolgerungen in Worten nachfühlbar ausplotten? Hä?

Ist es überhaupt wichtig, dass ich die richtigen Worte finde? Was habe ich davon? Oder sind das schon die Gedanken eines alten Mannes, der seine Felle endgültig davonschwimmen sieht?

Kein Kaffee macht mich wirklich munter!
Und kein Haschisch richtig stoned.
Valium holt mich nicht runter,
Alkohol hat's nie gelohnt.

Und kein Koks macht wirklich schnell.
Und kein Porno richtig geil.
LSD? Nix! Aber grell!
Und kein Doktor macht mich heil.

Und nun zu Dir. Warum liest Du das hier? Erhoffst Du Dir Kurzweil oder Erkenntnis? Glaubst Du etwa, dass hier etwas stehen könnte, was Du nicht überall finden würdest, wenn Du wolltest? Du liest ja doch nur heraus, was Dir in den Kram passt, also müsste ich logischer Weise mein Mitteilungsbedürfnis hinterfragen. Wenn ich schon nicht weißt, warum Du liest, woher soll ich dann wissen, warum ich schreibe? (Das ist KLS-Logik. Kommt direkt nach Fuzzi und Chaoslogik)

Glaube ich etwa immer noch daran, mit meinem Schreiben etwas anderes zu bezwecken, außer meine Eitelkeit zu stillen und Zeit auf die harmloseste Weise tot zu schlagen, die ich kenne, bis dieses bescheuerte Schlusskapitel zum … äh … Schluss kommt?

Wie soll ich meine Scham beschreiben, die mich manchmal heiß erschaudern lässt, wenn ich an Momente in meinem Leben denke, in denen ich mich völlig bescheuert benahm? Wie sich ein Stöhnen seinen Weg aus tiefster Seele durch den Hals bahnt und ich förmlich zusammen zucke, die Augen verdrehe und einen Schweißausbruch bekomme. Wie jedes geschönte Selbstbild in sich zusammenkracht und ich nur aus reiner Selbstbeherrschung nicht in endgültige Altersdepressionen versinke?

Ist es überhaupt sinnig, dass jemand, der noch jung ist, jetzt schon vorweg nachvollziehen kann, wie das gnadenlose Alter alle rosaroten Brillen zertrampelt?

Nein. Ist es nicht! Nichtwissen ist wohl auch die beste Art in der Jugend damit umzugehen. Und die, welche Ü60 sind wissen auch ohne mein Zutun Bescheid, machen nur nicht so ein Gewese von davon.

Ach ja. IsSchonAElend.


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RE: Ich, die Nulpe

#2 von Jonny , 19.07.2017 19:03

Der letzte Abschnitt gefällt mir am besten, Karle.
Ich glaube die rosaroten Brillen, die haben wir gegen unsere Lachfalten eingetauscht - die wir bekamen als uns klar wurde wie blauäugig wir waren - und wir uns über die Folgen unserer Handlungen begannen Gedanken zu machen...
Bin sehr gerne deinen Gedankengängen gefolgt!

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RE: Ich, die Nulpe

#3 von Sirius , 19.07.2017 21:19

Was du beschreibst, Karl-Ludwig, ist ja nur literarisch aufbereitet, ein wenig unter- oder übertreiben, ein wenig schönen, das ist nicht schlimm. Es soll ja auch gelesen werden und eine Geschichte soll nicht für das Tagebuch sein.
Und dein Gedicht ist fein! Erinnert mich an „Nichts haut mich um, aber du!“.
Und nun zu mir. Ich lese das, weil es mich erheitert, betrübt, beglückt. Und weil ich nicht vorher weiß, was mich erwartet, und ich neugierig bin.
Ich bin auch gern deinen Gedankengängen gefolgt.

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RE: Ich, die Nulpe

#4 von Angelika , 20.07.2017 06:12

Karl-Ludwig, was du beschreibst, ist das Elend der heutigen Menschheit. Wir alle suchen nach dem Sinn des Lebens und finden ihn nicht unter diesen Gesellschaftsverhältnissen. Warum wohl wird der Individualismus so heftig vom regierenden Mainstream propagiert? Doch deshalb, damit die Obrigkeiten in Ruhe ihre Schweinereien gegen uns ausbrüten können. Und jeder sucht dem auf individuelle Weise zu entkommen, ob er nun säuft, kifft oder Psychopillen schluckt. Die Angst, "nichts mehr wert zu sein", ist so ungeheuerlich groß, denn das heißt vor allem sozialer Abstieg und Verzicht, lässt uns verrohen, uns nicht mehr selbst zu achten und die Dinge laufenzulassen.

Ich hätte mir in deinem Text nicht nur die Klage gewünscht, sondern vor allem den Protest. Natürlich hast auch du kein Rezept, wer hat das schon, diese Welt zu einer menschlichen zu machen, aber ein bisschen mehr Widerstand als nur zu sagen: Seht her, so ist es!, hätte ich mir schon gewünscht.

Angelika

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RE: Ich, die Nulpe

#5 von Karl Ludwig , 20.07.2017 07:52

Liebe Angelika. Warum ist Widerstand denn Pflicht? In diesem Forum gibt es genügend Menschen, die den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ihr Konter angesagt haben - sogar schriftlich, was sich die Wirklichkeit wirklich merken wird. Ich bin lieber Sancho Pansa als Don Quichote. Aber vielleicht bin ich auch nur Rosiante und trage Scheuklappen.

Dem Gedicht hätte ich noch eine dritte Strophe anhängen können, a la Sinatras 'I get a kick out of you' und das hätte Sirius bestimmt gefallen. Sirius glaubt nämlich immer noch romantisch:

Doch Du! Du bist ein echter Hit
da schwingen meine Hüften mit.

Na ja. Ich wollte doch an dieser Stelle gar nicht kalauern, sondern ganz laut weiter klagen, was schriftlich allerdings auch nur zu weiterem Versagen führt. Nehmen wir also mal das Modell von Freud, mischen noch ein wenig Janov dazu und hören wir auf die alten Volksweisheiten, die da von 'Zwei Seelen ach in der Brust', oder 'Teufel links, Engel rechts' kund tun (Moment mal. Teufel links? Auf der Herzseite?) – kurz, ein wenig Schizo muss sein, sonst … ach, ich weiß nicht so genau. Selbstgespräche mit einem intelligenten Menschen wären jedenfalls schon mal nicht mehr möglich.

Das seht Ihr doch ein, oder? Deswegen auch die Überschrift. In der Retrospektive sagt der eine Teil von mir, vermutlich sogar mein 'Ich': Mein Gott, Karlchen, Du hast Fehler gemacht. Das beweist Deine Menschlichkeit. Du hast aus einigen Fehlern gelernt. Das beweist Dein Bemühen (Einspruch! Das beweist nur meine Angst vor den Folgen). Der andere Teil, vulgu das Überich, aber spricht bitter. Herr Saligmann! Sie Nulpe haben das Geschenk des Lebens nicht zu würdigen gewusst – macht aber auch keinen großen Unterschied, außer dass Sie sich nun nicht in selbstgefälligem Wohlgefallen aalen können, denn in weniger als 50 Jahren wird sich niemand mehr an Sie erinnern.

Außerdem haben Sie viel zu wenig Charakter, um sich noch großartig zu ändern. Ihre Seinsweise zu verraten, so wie Sie es gerne bezeichnen.

Und ich kann immer noch nicht so schreiben wie es ist.

StinkeSchweineScheißeKackDreckMistVerfluchtAberAuch.


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RE: Ich, die Nulpe

#6 von scrabblix , 20.07.2017 22:32

Warum ich das lese, Karlchen?

Weil du eine unnachahmliche Art hast, die Dinge die dir durch den Kopf gehen zu einem amüsanten Lesestoff zu mixen und seien es auch nur Kochrezepte.

Liebe Lottegrüße


Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.

 
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RE: Ich, die Nulpe

#7 von Karl Ludwig , 21.07.2017 07:03

Ja Scrabblix, mir ist auch schon aufgefallen, dass ich die Dinge anders sehe, als die Anderen. Zum Beispiel sehe ich in den Anderen keine Dinge. Ich glaube, nein, ich bin mir gewiss: Damit fängt die Sünde an: Leute oder sogar Menschen für Dinge zu halten und entsprechend zu behandeln. Mein Gott, ich bin noch nicht einmal fähig in Tieren Dinge zu sehen und lege mich glatt auf die Schnauze, um nicht auf eine Ameise zu treten. Auch die unsympathischen Schnecken sind vor meinen Schuhsohlen geschützt und wenn ich in Blumengeschäften auf sterbende Schnittblumen stoße, muss ich immer gaaanz laut schlucken.

Folge: In meiner Küche lebt mindestens eine Maus. Niemand kann von mir verlangen, diese nun zu erschlagen, dafür habe ich viel zu viel Humanismus, bzw. in diesem Fall vielleicht Faunaismus oder so. Schlagfalle! war nämlich die erste Empfehlung auf die Frage, was nun? und kam ausgerechnet von meiner Kebse, die jeden Tag mehrere Stunden wie bescheuert im Garten arbeitet, nur damit dieser wie Wildwuchs in Bunt aussieht. Der nächste Vorschlag war auch nicht ganz zu Ende gedacht: Lebendfalle! Und was dann? Wenn ich die Maus anschließend nach draußen entsorge, fällt sie doch sofort den Umständen zu Opfer – das wäre so ähnlich, als ob man mich unbewaffnet im Dschungel aussetzen würde. Hier hat es Katzen, die sich einen Spaß daraus machen, naiven Mäusen den Darwin und die Folgen näher zu erklären.

Inzwischen weiß ich, was die Maus gerne isst, denn ich lege ihr Abends Nudeln, Kanapees (das sind liebevoll mit Butter bestrichene Brotstückchen), Salami, Oliven, Käse, gekochtes Ei, Bohnensuppe und anderer kulinarische Köstlichkeiten in kleinen Portionen parat, und kann nun berichten: Am Liebsten knabbert das Tier die Butter vom Brot, und das hartgekochte Gelbe aus dem Ei - ist also irgendwie eine Seelenverwandte.

Vermutlich ist die Ehrfurcht vor allem Lebendigen nur ein Zeichen dafür, wie sehr ich meine eigene Existenz schätze. Und noch nicht mal da ist Schluss. Es gibt auch Dinge, die mich ehrfürchtig innehalten lassen wie Sonnenaufgang am Meer. Oder sogar Nichtdinge wie Gedanken.

Diese hier gehören allerdings nicht dazu!


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RE: Ich, die Nulpe

#8 von Eris_Ado , 21.07.2017 15:23

Zitat von Karl-Ludwig

Folge: In meiner Küche lebt mindestens eine Maus. Niemand kann von mir verlangen, diese nun zu erschlagen, dafür habe ich viel zu viel Humanismus, bzw. in diesem Fall vielleicht Faunaismus oder so. Schlagfalle! war nämlich die erste Empfehlung auf die Frage, was nun? und kam ausgerechnet von meiner Kebse, die jeden Tag mehrere Stunden wie bescheuert im Garten arbeitet, nur damit dieser wie Wildwuchs in Bunt aussieht. Der nächste Vorschlag war auch nicht ganz zu Ende gedacht: Lebendfalle! Und was dann? Wenn ich die Maus anschließend nach draußen entsorge, fällt sie doch sofort den Umständen zu Opfer – das wäre so ähnlich, als ob man mich unbewaffnet im Dschungel aussetzen würde. Hier hat es Katzen, die sich einen Spaß daraus machen, naiven Mäusen den Darwin und die Folgen näher zu erklären.

Inzwischen weiß ich, was die Maus gerne isst, denn ich lege ihr Abends Nudeln, Kanapees (das sind liebevoll mit Butter bestrichene Brotstückchen), Salami, Oliven, Käse, gekochtes Ei, Bohnensuppe und anderer kulinarische Köstlichkeiten in kleinen Portionen parat, und kann nun berichten: Am Liebsten knabbert das Tier die Butter vom Brot, und das hartgekochte Gelbe aus dem Ei - ist also irgendwie eine Seelenverwandte.




Du kannst hoffen, dass Du eine zölibatäre Maus als Mitbewohnerin hast. Was allerdings wenig wahrscheinlich ist: Mäuse sind rattige Tiere.
Und wo eine Maus auftauchen kann, da kann sich auch eine zweite gegengeschlichtliche einfinden.
Wenn die ordentlich loslegen, dann wird es interessant. Die veranstalten dann ein Experiment mit Dir. Ab welcher Mausdichte in der Küche wird die Humanität über Bord geworfen?
Aber vielleicht ist es auch einfach nur ein altes Exemplar, das asexuell die Gnadenkanapees genießt, bevor es friedlich entschläft.

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RE: Ich, die Nulpe

#9 von Karl Ludwig , 21.07.2017 16:23

Wenn die mir zu viel werden, hole ich mir eine Geländekatze und lasse sie ein-zwei Tage bei mir wohnen. Ratten mag ich auch nicht. Aber Mäuse? Und nun drehen die den Spieß sogar um und versuchen meine Fauna-Toleranz quantitativ zu erfassen?

Ich bin das Opfer von Menschenversuchen durch Mäuse.


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RE: Ich, die Nulpe

#10 von Sirius , 21.07.2017 20:52


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