Schnauze voll!

Irgendwie wird’s immer blöder
mit dem Seehofer, dem Söder,
mit den Christen, den verpissten,
mit den Bazis und den Nazis
und dem scheinheiligen Kreuz!
Schneuz!

Irgendwo da stinkts nach Heimat,
Knüppel raus, wer keine hat,
Ankerzentren und KZ,
Twitter, Facebook, Internet,
jeden Tag Politgemotz!
Kotz!

Irgendwas geht hier daneben,
will nicht mit den Spacken leben,
nicht mit Hetze, Hass und Blut
und nicht mit der rechten Brut
und dem Arschloch aus der Türk!
Würg!

Irgendeiner will hier Krieg,
Trump und Puttin wolln den Sieg,
Merkel ist das ganz egal,
Hauptsache, sie steht zur Wahl.
Und ihr wollt das vierte Reich?
Dann gleich!

Sirius

Gut gemeißelt, Sirius, sehr gut. Und mir aus der Seele gebrüllt, aber das weißt du ja. Nur die dörflichen Sachsen rund um Dresden fehlen mir, die hast du vergessen. Und ja, Richard, ich habe vielleicht Vorurteile, aber ich versuche zu differenzieren.

Vielleicht ist es irgendwann auch angebracht, auf die Straße zu gehen, um Ohren lang zu ziehen. Wie war das? WEHRET DEN ANFÄNGEN. Über die Anfänge sind wir schon hinaus.

Letze Woche auf einer idyllischen Familenfeier in meinem kleinen niedersächsischen Dorf: Der Schwiegervater meines Schwagers hub an: "Da hab ich im Garten gegraben und da haben die im Radio ICH HATT EINEN KAMERADEN gespielt. Da hab ich meinen Spaten geschultert und bin marschiert." Erst viel mir der Kuchen aus dem Gesicht, dann habe ich eine Stunde lang immer lauter nachgefragt, ob er wisse, was er da denkt. Es eskalierte in seiner Behauptung, dass es gar nicht erwiesen sei, dass 6 Millionen Juden ermordet wurden. Und in seiner Entschuldigung, andere Völker hätten Ähnliches vollbracht. Niemand sonst hat etwas dazu gesagt auf dieser Familienfeier. In einem kleinen, idyllischen niedersächsischen Dorf.

Zwei Fragen drängten dann:

Was für Radiosender dürfen solche Lieder spielen?
Was ist den Menschen passiert, dass sie solch ein Weltbild haben?

WAS IST DA PASSIERT?

Jörn

Ich weiß nicht, was mit den Leuten los ist, Jörn. In so vielen schlummert dieses dumme, so hässliche Denken, diese Überheblichkeit und Arroganz gegenüber anderen Menschen, dass einem schlecht werden kann.
Das sind die Leute, die später nur mit dem Kopf nicken und von nichts gewusst haben wollen.
Mir wird bei diesen Typen speiübel und dir sicher auch.
Ich mag meine eigene Verachtung nicht, sie ist mehr ein Ausdruck von Hilflosigkeit und Verzweiflung.
Ich danke Dir sehr herzlichen für Deinen Kommentar und für die Schilderung Deines Erlebnisses.

Sirius

Und den Sender finden wir noch!

Und ja, Sirius, ich bin verzweifelt und ja: Ich habe auch Angst.

Jörn

Ja, habt Ihr denn geglaubt, es sei einfach, ein Mensch zu werden, zu sein? Nur Idioten wollen es einfach, zur Strafe bekommen sein es dann einfach auch ziemlich einfach und deswegen sind diese ganzen Vollhonks alle ziemlich einfach gestrickt, so dass sie selber nicht erkennen können, und das auch nicht wollen, mit welch einfachem Gemüt sie den einfachen Fragen des Seins begegnen (z.B.: 'Warum?' [Die Mutter aller Erkenntnis]). Wozu auch? Sie fühlen sich verstanden in ihren gemeinsamen Omnipotenzträumen, berauschen sich an großen hohlen Begriffen, Bier und Adrenalin. Haben eine klare Freund/Feind Kennung und leiden nicht besonders an ihrem Mangel an Bewusstsein, da erst dessen Fehlen einen erstrebenswerten Seelenfrieden garantiert. Schööööön …

Bin ich etwa auf der Welt, um anderen Menschen das Leben zu erschweren? Hält das Leben nicht tausend dringende Probleme bereit? Muss ich meine kostbare Zeit damit vergeuden, alles noch schlimmer machen?

Arschlöcher denken nicht in solchen Kategorien.

Das wahre Problem ist doch:

Wir, die wir an humanistische Ideale glauben, sind nicht organisiert, dürfen es auch nicht sein. Denn wenn wir es wären, würden wir auch ganz schnell so wie die da werden, welche aus Torfnasengründen ihre eigene Erbärmlichkeit mit WasAuchImmer kompensieren. Siehe alle Versuche Gutmenschenorganisationen zu erschaffen. Wie schnell wurden sie korrumpiert, in die Scheiße mit rein gerührt: Hippies, staatliche Hilfsorganisationen, nicht staatliche, Rotes Kreuz, Grüne, Fussball …

Leute, auf dieser Welt passiert nur etwas, wenn jemand damit Geld verdienen kann und erhoffte Wichtigkeit erlangt. Solch Stimme wie folgt landete meist ohne Zunge beim Abdecker:

„Nee, Djingis, Alex, Adi, Idi und Konsorten, ich finde es echt nicht gut, wenn ihr als Pulk loszieht um Menschen zu massakrieren, denen ihr noch nicht einmal vorgestellt wurdet.“

Wir, die mit Zweifeln, hoffen auf so seltsame Folgen unseres Denkens wie eine beruhigende Gewissheit, am Ende sagen zu können (sich einzureden), diese Welt ein ganz kleines bisschen besser hinterlassen zu haben, als vorgefunden.

Zumindest hatte man sich Mühe gegeben...

Oft...

Manchmal...

Äh, viel zu selten.

Wir haben schon verloren. Wir haben immer verloren. Wir stehen fassungslos vor dem Monster 'Unmenschlich' und die Unmenschlichen machten ungerührt einfach immer weiter. Wir verkriechen uns mit schlechtem Gewissen in der Innerlichkeit, klopfen uns manchmal gegenseitig auf die Schulter, schniefen leise und haben Angst.

Die sind von sich so was von überzeugt, - wir nicht. Wir können nicht mit angemessen-notwendigem Fanatismus gegen Fanatismus kämpfen. Die gewinnen also schon wieder. War dennoch eine geile Zeit hier zwischen den Kriegen. Die ist nunmal unwiederruflich perdü! Wir haben nicht versagt. Gewinnen würde unser Versagen bestätigen und uns zu Mitgliedern der Gegenpartei machen.

Ich will meinen Gegnern nicht ähnlich werden!

Kein Ausweg. Vielleicht sollte ich doch mal wieder in die Kirche gehen?

Da könnte man doch glatt seinen Humor verlieren.

Und dann wäre man echt verloren!

Da sagst du was, Karl Ludwig. Die Gefahr, Unmenschlichkeit mit Unmenschlichkeit zu bekämpfen, ist in der Tat sehr groß, siehe Weltgeschichte. Also doch lieber in den Arm nehmen als zuhauen? Ich weiß es nicht...

LG

Jörn

Natürlich sind wir nicht organisiert, das ist ja das Problem. Andererseits würde es dann nicht lange dauern und jemand fände Geschmack an der Macht und am Geld? Und würde ich jemanden trauen, der Ölsardinen paniert? Ich glaube ja, weil ich ja auch dankbar für Alternativen bin. Aber man latscht lieber diesen Idioten hinterher, die nur ein dämliches Kreuz aufhängen anstatt sich selbst und dafür die Mutter des Hinterherlatschers in Zahlung nehmen.
Denen es nicht gut geht, die sind zu blöd zum Denken und lassen sich von den Rechten und Idioten betreuen, und die, denen es zu gut geht, die wollen, dass es so bleibt und scheiß auf die anderen.
Und zu dem Dilemma, Gleiches mit Gleichem zu vergelten: Wenn du es nicht machst, wird man dich ausnutzen, bis der Deckel auf dich fällt. Man kann nicht mit Menschlichkeit auf Unmenschlichkeit reagieren, das ist Romantik für jene, die jeden Krieg zulassen und die zuhause ihre Träume aufschreiben.
Und wozu solle es gut sein, Arschlöcher zu verschonen? Um selbst keins zu sein? Heißt das im Umkehrschluss, ich muss alles tolerieren, um ein guter Mensch zu sein?

Sirius

Tja. Vielleicht möchte ich kein Mörder sein?

Nun stell dich mal nicht so an! Ich bin ja auch Pazifist und heute habe ich sechsmal den Knüppel stecken lassen, einmal war es grenzwertig, aber es waren Zeugen dabei.
Im Ernst: Es muss ja nicht sein, dass wir gleich alles ausrotten, vielleicht helfen erst mal ein paar leichte Schläge in den Nacken. Beliebt ist auch das Merkelsystem, wenn man wieder irgendwo ein Krankenhaus in die Luft gebombt wird: Dann ganz streng sagen: Du,du,du!
Das hilft bestimmt. Es sei denn, die Amis machen das, das ist was anderes, die dürfen das.
Ob so aber die Welt wieder in Ordnung kommt? Ich glaube nicht.

Sirius

Ist es nicht das Wesen der Welt, völlig nicht in Ordnung zu sein? Ist diese Welt denn irgendwann schon mal in Ordnung gewesen? Hybris ist, wenn man weiß, was am Besten ist. Gut ist, wenn man voll Zweifel ist. Besonders gut ist, wenn da noch Makrele ist, die man mit Schaumkuss isst..

Sirius, ich meide irgendwelche Anspielungen auf Don Quichotte. Vielleicht hast Du Recht, und es wäre alles noch viel schlimmer, wenn nicht Einige gegen die Zustände müpfeln würden. Vielleicht aber ist es Krüppelwut, und/oder eine ausgeprägte Machomacke: Man kann mich töten, aber nie besiegen.

Wer weiß, wofür es gut ist, wenn Du mit der Brechstange durch den Schleier schlägst und ich mit Lachsack. Humor hast Du jedenfalls auch in beneidenswerter Quantität. Ich habe nur nicht Deine Wut dahinter. Eher Trauer, die ich aber schnell weglache, weglachen muss, vielleicht wegresigniere, weil: Sonst hätten sie mich auch.

Ich aber möchte meine letzten Jahre nicht mit Nebelnetze schwingen totschlagen, auch nicht in meiner Freizeit, wenn ich mich vom kategorisch-katatonischen Nichtstun erhole. Langer Weile ist der kostbarsten Besitz, ein Geschenk gar, in einer Welt voll Hysterie, Angst, Wut, Gewalt, Leiden, Missverständnisse und Dummheit. Ein außerirdischer Anthropologe. Ein Zuschauer vor der Bühne gewaltiger Narreteien. Ein Tourist. Ein prämortaler Lebenskonsument.

Zitat: Man kann nicht mit Menschlichkeit auf Unmenschlichkeit reagieren, das ist Romantik für jene, die jeden Krieg zulassen und die zuhause ihre Träume aufschreiben.

So ein verständlicher Standpunkt erschreckt mich. Was ist aus dem: Liebe Deine Feinde! geworden? Müssen die erst (Heine) im Apfelbäumchen hängen, damit ich sie lieben kann?

Außerdem, lieber Sirius. Du sitzt doch selber zu Hause und schreibst Deine Träume auf.

Hahaha! Da hast du wohl nicht Unrecht, wenngleich ich nicht die Träume aufschreibe.
Liebe deine Feinde ist mir zu gönnerhaft und scheitert an meiner Überzeugung. Und vor allem gibt es kein Beispiel, dass das funktioniert. Schlag deinem Feind den Schädel ein funktioniert jeden Tag. Und dass das so viele Anhänger hat, die sich Deutsche nennen, ist schon frustrierend.
So lass uns denn darüber gelegentlich aufregen, aber ansonsten unseren Humor bewahren, wenn man uns nur nicht täglich die Scheiße ins Haus karren und uns als Schokolade verkaufen würde.

Sirius