Das ungeheure Sprachloch
Bodo Kirchhoff ist als Zwölfjähriger im Internat missbraucht worden. Seine Romane kreisen seit vier Jahrzehnten um die Abgründe des Körpers und der Liebe. Besteht da ein Zusammenhang? Zum 70. Geburtstag sucht er in seinen Memoiren nach Antworten
Warum ist eigentlich nie jemand über den mehrfach ermordeten und tödlich verunglückten Sport- und Musiklehrer in den Romanen von Bodo Kirchhoff gestolpert? 2001 tauchte der gut aussehende Roth-Händle-Raucher und Käfer-Cabrio-Fahrer im Roman Parlando zum ersten Mal auf. Die Geschichte spielte am Originalschauplatz, in einem Internat am Bodensee. Ein elfjähriger Junge wird dorthin von seinen Eltern, denen er bei ihrer Beschäftigung mit sich und ihrer Scheidung im Weg ist, abgeschoben. In die Versorgungslücke springt ein charismatischer Lehrer mit halb langem, schwarzem Haar und dunklen, Kirchhoff schreibt, "fast schon indischen" Lippen. Im Schilf am Bodensee, wo der Cabrio-Fahrer ein Liebesnest für sich und seinen Schüler eingerichtet hat, vergisst das Kind seine Einsamkeit. Die Küsse des Lehrers schmecken nach Zigaretten.
Er war, hieß es damals, "vom ersten Augenblick an mein Erlöser". Dennoch erschlägt er den Lehrer mit einem Stein. Als das Kind dem Lehrerkopf in seinem Schoß "den gewünschten Spalt" beibringt, der "sich erst dunkel mit Blut füllt und dann weißlich mit Hirn", soll der Lehrer wie ein geschlachtetes Rind geschrien haben. Elf Jahre später, im Roman Die Liebe in groben Zügen, lässt Kirchhoff den Pädagogen noch einmal sterben. Dieses Mal ertrinkt er im See, und sein Opfer sieht einfach zu.
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https://www.zeit.de/2018/27/bodo-kirchho...brauch-memoiren
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