Letzte Meldung
X

An alle neu registrierten Benutzer!

Wir achten hier auf den Datenschutz. Insbesondere auf die Privatsphäre unserer Mitglieder. Wer sich nur anmeldet, um am "Küchentisch" mitzulesen oder nur Mitgliederlisten einsehen will, wer nur Spam posten möchte und nicht auf meine PNs reagiert, den lösche ich wieder.

RE: Kaufladen

#1 von Karl Ludwig , 09.10.2018 18:35

Ihr kennt doch bestimmt diese fliegenden Händler. Nein, nicht die, welche klingeln und Staubsauger oder Küchengeräte verkaufen wollen. Das sind bloß die Versager unter den fliegenden Händlern.

Die Premiumhändler hingegen haben ihren ganzen Laden dabei, suchen sich eine freie Mauer und sind plötzlich seit immer schon da gewesen.

Deswegen war ich auch kein bisschen überrascht, als geheimnisvolle Geräusche an meiner Hauswand mich um (wann denn sonst) Mitternacht weckten.

Ich ging, sah und staunte dann doch: Da bildete sich wie aus Nebel ein altmodisches Gebäude mit von Spinnweben und Staub blinden Fenstern, die ziemlich viereckig auf normal machten, und ich sah auch einen harmlos wirkenden jungen Mann mit verkehrt aufgesetzter Käppi, der sich gerade recht ungeschickt bemühte ein Schild an der Tür zu befestigen.

„Hallo, geht’s gut?“

„Kackdreckmist. Jetzt habe ich den falschen Nagel getroffen. Oh, Pardon, ich meinte nicht dich. Ja, Danke, bis gerade tat es nicht weh.“

„Komm, gib mir den Hammer und halte das Schild. O.K.?“

Zufrieden traten wir anschließend zurück und betrachteten unser gemeinsames Werk. Nun konnte ich auch lesen:

Postulate, Axiome, Sprichwörter, Orakel und Makrelen. Termine zwecklos.

Öffnungszeiten von 24.00 Uhr bis Mitternacht. Jede Menge Unikate. Sonderposten.

„Hey, es ist gerade Mitternacht. Verkauf mir was.“

„Darf ich nicht. Ich bin nur der Lehrling. Der Meister arbeitet drinnen an einer einheitlichen, alles verbindenden Maxime. Dem Hypertheorem. Schon seit Jahren.“

„Na, dann wollen wir mal rein. Die Tür kann ja wohl kaum abgeschlossen sein.“

Ich renne die Stufen hoch und durch den Eingang. Auch die Einrichtung ist altmodisch: Holzverkleidung, gusseiserne Kasse, Verkaufstresen, dunkle Regale, Vitrinen, Kronleuchter mit Kerzenbirnen, mehr Treppen als Stockwerken und in der Mitte ein schwerer Schreibtisch aus polierter Eiche mit Tintenfass, Feder, Löschroller …, und Bildern von einer hässlichen Bulldogge. Ich beuge mich vor und lese: Mckilroy, Deine Dich liebende Frau, beobachtet Dich.

Ein älterer Mann mit Ärmelschonern blickt unwillig auf. Ein Stapel Papiere im 'Eingang' und ein leerer 'Erledigt'. „Was soll das?“

Sofort zücke ich mein Notizheftchen und einen Kugelschreiber. „Kann ich diesen Höhepunkt von Rhetorik und Weisheit notieren?“

Sofort ändert sich sein Gesichtsausdruck. Noch mehr Grinsen hätte sich am Hinterkopf getroffen.

„Ach, nimm ihn als Werbegeschenk. Aber hier hätte ich noch viele Restposten. In welche Richtung soll denn die Aussage gehen?“

„Ich habe kein Geld dabei.“

„Oh, ich nehme auch Hirnzellen.“

Der Lehrling kommt mit einem Haufen Post von draußen. „Der intergalaktische Postbote war da. Schon wieder Beschwerdebriefe.“

Der Meister hebt eine Augenbraue: „Komm mal her. Wir (klatsch) haben (klatsch) einen (klatsch) Kunden (klatsch). Bist du geisteskrank?“ Und zu mir gewandt: „Gute aufmerksame Lehrlinge hätte ich auch gerne in meinem Sortiment.“

„Ich wollte noch sagen, Meister, dass sich ein Protestmarsch nähert.“ Von draußen werden wie bestätigend recht ärgerlich klingende Stimmen immer lauter. Jemand rüttelt an der Tür. Immer energischer. Die Türe ist aus Eiche. Und schon wieder bewahrheitet sich eine allgemeine Tatsache, nämlich die, dass man nicht bei den Scharnieren sparen sollte. Die massive Tür fällt nach innen!

Drei Damen in einem ungewissen Alter folgen: „Wo ist die Beschwerdeabteilung? Wie heißt ihr Rechtsanwalt? Sind sie gegen Aufruhr versichert?“

„Meine Damen, womit habe ich ihren Unwillen geweckt?“

„Lesen sie mal. Das hatten Sie mir im Andromedanebel angedreht. Wir mussten einen Ungewissheitsdämonen bestechen, damit er uns diesen vagen Ort hier zeigt damit wir uns beschweren können.“

„Hm. 'Sei immer alt genug, um es besser zu wissen und jung genug, um es trotzdem zu tun'. Damit ist doch alles in Ordnung. Ein Garant von erfülltem Sein. Ein Sinnspruch der tiefsinnigen Art.“

„Ich wollte ihn ausprobieren und es trotzdem tun. Dabei verlor ich meinen Gatten.“

„Wo denn? Ach, was soll's. Adlatus! Hör auf dir die Wangen zu reiben und reich mir mal die Inventurliste. Ah, wie wäre es hiermit? 'Wer weiß schon, wofür es gut ist.' Da wird einerseits die Hoffnung transponiert, dass alles prima ausgehen könnte, andererseits wird aber empfohlen mit Demut einem blinden Schicksal gegenüber den Kelch der Unvollkommenheit bis zur Neige auszutrinken. Nehmen sie nur und probieren sie ihn aus. Und die andere Lady? Was stört sie denn an: 'Wenn du denkst es kann nicht schlimmer kommen, liegt es daran, dass es dir an Phantasie mangelt'?“

„Dieser Spruch ist mir zu negativ. Der macht alles nur noch schlimmer. Und meine Phantasie hat keine Probleme, sich unvorstellbare Schrecken vorzustellen. Ich wollte eigentlich etwas Aufmunterndes.“

„Hey Hiwi, bringe mir mal das große Schild dort. Jawohl, das da mit den Lettern der Weisheit aus dem Herzen des Seins: 'Wer immer alles ordentlich hält, ist nur zu faul zu suchen.' Du musst nur unters Sofa gucken. Oder hintern Schrank. Gib dir halt etwas Mühe.“

„Diese Ansage habe ich schon, weiß nur nicht mehr wo.“

„Na gut. Das nächste Angebot. Oh. Elender Lehrling, wo hast du denn diesen saublöden Satz her? 'In der Nachbarschaft findet man immer einen Arsch.'? Wir haben es hier mit einer Dame zu tun. Ich dachte eher an: 'Rauchen ist krebserregend.' Komm mal her.' (Patsch, Klatsch, Patsch)“

„Aber ich rauche gar nicht.“

„Spielt das eine Rolle? Die Aussage ist wahr. Und obendrauf bekommen ihr noch aus der großen Wühlkiste: 'Leihe dir niemals Geld von einem Optimisten. Er erwartet es zurück.'“

Die Damen ziehen wieder ab. Die Post landet in der Ablage 'Hat Zeit bis übermorgen'.

Das habe ich nun von meinem Mantra: Ganz einfach mal zu weit gehen und sich dort ein bisschen umsehen.

Ich bekam noch als Wegzehrung ein fröhliches: „Jeder Tag ist ein Zahltag“, an der Kasse zu hören, während sie mich lobotomierte …

Des Rest habe ich vergessen, weil mir dabei ein kleiner Hohlraum im Hirn entstand.


Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!

Karl Ludwig  
Karl Ludwig
Beiträge: 2.386
Registriert am: 10.12.2015


RE: Kaufladen

#2 von Sirius , 09.10.2018 21:33

Jetzt hast du „lobotomieren“ schon zum zweiten Mal verwendet (oder verwandt oder sind verwendet und verwandt miteinander verwandt?).
Aber tolle Sachen hast du drin:

Postulate, Axiome, Sprichwörter, Orakel und Makrelen. Termine zwecklos.

Entzückend und geistreich. Genau die Makrelen müssen nämlich da rein. Große Klasse!
oder:

„Oh, ich nehme auch Hirnzellen.“

Herrlich – obwohl die ja in den meisten Fällen nur Kleingeld sind.
Du hast grad eine kreative Phase, das macht sicher das unregelmässige Essen und Kiffen.
Alles was du schreibst, ist einfach gut, das sage ich ganz neidlos.
Diese Story ist stilistisch und vom Wortwitz her hervorragend. Danke dafür!

Sirius


Reset the World!

 
Sirius
Beiträge: 26.297
Registriert am: 02.11.2015


   

Das Orakel von Burgdorf
Die schlimmsten Erfindungen/Entdeckungen der Menschheit

  • Ähnliche Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag
Xobor Ein eigenes Forum erstellen
Datenschutz