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RE: Der kalte Blick in uns hinein

#1 von Sirius , 08.02.2019 19:12

Der kalte Blick in uns hinein

Ein wahrhaft begehrender Mann? Jan Drees' popliterarischer Roman "Sandbergs Liebe" schildert die Abgründe einer obsessiven, manischen Beziehung.

Eine Rezension von Anselm Neft

Dieser Roman wird als Protokoll perfider Manipulationsstrategien beworben, so als ginge es um eine romantische Beziehung, in der nur einer liebt. Das legt eine falsche Fährte. Das wirkliche Ereignis in Sandbergs Liebe ist kein Debattenbeitrag zum Thema "emotionaler Missbrauch", sondern ein unzuverlässiger Ich-Erzähler, dessen Worthülsen unser gestörtes Verhältnis zur Wirklichkeit abbilden. 

Den Voyeurismus kitzelnde Faktizitätsbehauptungen liegen bei Romanen spätestens seit Knausgard im Trend. Entsprechende Werbung scheint also strategisch schlau. Manchmal ist ein Buch jedoch schlauer als sein Marketing. Im Klappentext zum dritten Roman des Autors Jan Drees heißt es: "Sandbergs Liebe, dem eine persönliche Erfahrung zugrunde liegt, führt in beinahe protokollarischer Genauigkeit und mit großer psychologischer Kenntnis vor Augen, wie Manipulation das Vertrauen in die eigene Wahrnehmung zerstören und infolgedessen die Psyche eines Menschen in ihren Grundfesten erschüttern kann." Dieser Deutung folgt auch Melanie Mühl in der FAZ. Die Liebe des Protagonisten sei groß, schreibt sie. Die Liebe seiner Freundin Kalina hingegen "narzisstische Eigenliebe, die den neuen Mann an ihrer Seite zerstören will". Auch eine deutlich ausgewogenere Kritik im NDR behauptet am Text vorbei, die Vereinnahmung ginge von Kalina aus. Der übel missbrauchte Romantiker hier, die schwarzromantische belle dame sans merci da – beruhend auf einer wahren Begebenheit. Schlimmstenfalls hätten wir es mit dem Racheroman einer verletzten Schriftstellerseele zu tun.

Weiterlesen:

https://www.zeit.de/kultur/literatur/201...drees-rezension


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RE: Der kalte Blick in uns hinein

#2 von Karl Ludwig , 09.02.2019 07:53

Jetzt mal Erich aber auch: Wen interessieren denn die wirren Taten und Gedanken eines Mannes, egal ob von innen oder außen betrachtet, der unter einer Libidodrüseüberfunktion leidet und Sex mit Liebe verwechselt?

Ich weiß. Es ist ein klassisches Thema. Selbst die Götter waren ihren eigenen Trieben gegenüber recht aufgeschlossen, aber wenigstens sangen sie keine ledane Schwanengesänge dabei und wiesen auch nicht ständig darauf hin, wie sehr dolle empfindsam sie doch sind.

... und all diejenigen, welche den Sexus nicht so total überbewerten, kratzen sich am Kopf, werden womöglich sogar neidisch, aber hören auch schnell wieder damit auf, weil sie Selbsterkenntnis nicht mit Exhibitionismus verwechseln.

Übr.: Ich selber gehöre (gehörte) nicht zu den 'DiejenigenMitEinWenigGelassenheit', auch und gerade dann, wenn die Ekstase dabei eine Rolle spielt.

Oh Gott! Wie oft haben sie mir doch das Herz raus gerissen. Einfach zauberhaft. Mindestens drei mal wollte ich mich aus Unverstand und Unverstandenheit heraus suizidalisieren. Habe es dann aber doch gelassen, obwohl das gar nicht erwähnt werden muss, denn sonst würde ich hier nicht schreiben können und über vermarktbaren Seelenpein bei Anderen lästern.

Möge der Jan Drees viel Geld machen. Gönne ich ihm. Nur von mir gibt es keinen müden Cent für dafür.


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RE: Der kalte Blick in uns hinein

#3 von Sirius , 09.02.2019 13:06

Zu erst einmal freue ich mich, dass überhaupt eine Resonanz kommt. Dafür und für deinen ausführlichen Kommentar danke ich dir herzlich.
Ich persönlich lese überhaupt keine Belletristik, das habe ich von Böll bis Remarque in meiner Jugend erledigt. Liebe und Sex sind in allen Variationen der übliche Dauerbrenner in den Buchläden.
Es interessiert sich meist keiner für den preisgekrönten Roman eines Malers aus dem Libanon, der mit seinem Fahrrad die Welt besegelt, um den Unsinn seines Lebens zu suchen, der dann für 99 Cent bei Woolworth in der Grabbelkiste liegt.

Ohne schleimen zu wollen, würde ich deine Bücher lesen, weil ich Fantasie und Kreativität gepaart mit Humor sehr schätze. So wie ich Kishon lese, wenn ich mal was Leichtes und nichts zum Ärgern brauche, aber ansonsten ist alles andere für mich Trivial-Literatur.
Aber die Welt dreht sich leider nicht um mich (oder um uns, du willst dich ja auch mitdrehen), da kann ich nicht den tollen Isnogud vorstellen oder „Konrads-Küchen-Kabarett“, weil unsere intellektuelle Buchseele doch reichlich primitiv ist und brachliegende Instinkte bedient werden wollen in exhibitionistischer Form.
Immerhin haben wir so deinen amüsanten Kommentar erhalten. Danke dafür.

Sirius


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