Juristisches Corona-Chaos: Alle blicken nach Karlsruhe
Das Bundesverfassungsgericht steht vor einer Entscheidung über die Bundesnotbremse. Das höchste Gericht muss dem Grundgesetz zu seiner Geltung verhelfen.
Das Bundesverfassungsgericht hat angekündigt, im Oktober oder November zu entscheiden, ob die sogenannte Bundesnotbremse, also das am 23.04.2021 in Kraft getretene Vierte Bevölkerungsschutzgesetz, in Teilen rechtswidrig ist. Knapp 10.000 Personen haben 281 Verfassungsbeschwerden und mehrere Anträge eingereicht. Über einige von ihnen wird nun entschieden. Es geht insbesondere um Ausgangsbeschränkungen, Kontaktbeschränkungen, Beschränkung von Freizeiteinrichtungen, Regelungen zur touristischen Beherbergung, Schulschließungen und Testpflicht. Die Beschwerden und Anträge in Karlsruhe sind Teil einer breiten Klagewelle: Nach Angaben des Deutschen Richterbundes gab es allein im Jahr 2020 mehr als 10.000 Gerichtsverfahren wegen Corona. Anfang September gab es nach Angaben des Rechtsanwaltsnetzwerks ETL 660 Entscheidungen.
Nach Angaben des Deutschen Richterbunds haben in den Jahren 2020 und 2021 in etwa neun von zehn Eilverfahren die Gerichte die häufig im Wege der Verordnung dem Bürger auferlegten Einschränkungen bestätigt, weil sie den Gesundheitsschutz der Bevölkerung höher gewichtet hätten als die Einschränkungen für die betroffenen Bürger. Doch laut ETL-Anwälten hat sich die Gewichtung der Entscheidungen verändert: Zunächst hätten die Gerichte „freiheitsbeschränkenden Maßnahmen der Hoheitsträger sowie die erlassenen Ordnungsmaßnahmen“ in vielen Fällen als rechtmäßig erkannt. Mit zunehmender Zeit hätten die gerichtlichen Entscheidungen allerdings den Einzelfall stärker in den Blick genommen, weshalb zahlreiche Eilanträge dann auch erfolgreich gewesen seien.
Der Grundsatzentscheidung aus Karlsruhe kommt eine zentrale Bedeutung zu, weil die meisten Gerichte mit der aktuellen Rechtslage überfordert sind: Gesetze und Verordnungen werden in rasch wechselnder Folge geändert. Vorschriften sind detailreich, unklar oder widersprüchlich. Es gibt große lokale und regionale Unterschiede bei Maßnahmen. Die Beweisführung ist schwierig: Soeben hat ein Strafgericht in Bayern die körperliche Untersuchung einer Beschuldigten angeordnet, die sich auf eine ärztlich ausgestellte Maskenbefreiung berief.
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