«Das ist alles furchtbar»: Wie die Kanzlerin in der Corona-Krise die Nerven verliert
Der Ton zwischen Politik und Bevölkerung wird gereizter. Angela Merkel und andere deutsche Spitzenpolitiker reagieren dünnhäutig auf Kritik und nehmen die Bürger in die Verantwortung. Den Blick auf eigene Versäumnisse scheuen sie jedoch.
Dem letzten sächsischen König wird der Satz «Dann macht doch euern Dreck alleene!» zugeschrieben. Friedrich August III. soll damit seine erzwungene Abdankung im Jahr 1918 kommentiert haben. So historisch fragwürdig der Satz sein mag, so treffend fasst er das Wesen aller Politik zusammen. Sie sieht sich oft Situationen gegenüber, die sie nicht beeinflussen kann. Dann bleibt nur die Arbeit am Unvermeidlichen – oder die Flucht zur beleidigten Leberwurst. In der Corona-Krise kippt gerade das Pendel von der einen zur anderen Option. Neben Appelle, Regeln und Verordnungen treten zunehmend persönliche Beschwerden der Regierenden. Auch die Kanzlerin scheint der Versuchung zur trotzigen Pampigkeit zu erliegen. Die Nerven liegen blank.
In der von Angela Merkel einberufenen Pressekonferenz vom 21. Januar liess der Abschluss ihres Referats zur Impfsituation in Deutschland aufhorchen: «Was wollen wir denn jetzt noch meckern?» Die Kanzlerin hatte zuvor den «europäischen Ansatz» gelobt und die Leistung des deutschen Pharmaherstellers Biontech: «Das sind Menschen, die arbeiten Tag und Nacht. Das kann man sich überhaupt nicht vorstellen, die haben keinen Tag frei.» Niemand wirft den Impfstoffproduzenten aus Mainz vor, Faulpelze zu sein. Aber es gibt begründete Kritik an der mangelnden Verfügbarkeit der Vakzine in Deutschland und dem – verglichen mit anderen Ländern – langsamen Impftempo.
Kritik als «meckern» zu verunglimpfen und als Ausdruck einer unbotmässigen Laune, zeugt von einem seltsamen Bewusstsein für die Art und Weise, in der die Regierung mit der Bevölkerung kommunizieren sollte. In der Corona-Krise, von Merkel selbst als «Jahrhundertherausforderung» beschrieben, kommt es auf verlässliche, vertrauenerweckende Kommunikation an. Sonst gehen die von der Kanzlerin eingeforderten Tugenden Geduld, Solidarität und Disziplin verloren.
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