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RE: Galaxina

#1 von Karl Ludwig , 22.02.2019 12:02

Ich habe nun ein eigenes Haustier. Nein keinen Hund. Zu anstrengend. Keine Katze. Zu sauber. Ich liebäugelte mal mit einem Minischwein, aber die sind ja im wahrsten Sinne sauteuer. Vögel hinter Gitter? Auch nicht so mein Ding. Also habe ich es jahrelang mit mittelschweren Frauen versucht, aber da war ich auf Dauer nicht der Damen ihr Ding. Nicht formbar. Nicht präsentabel. Nicht reich. Nicht ehrgeizig.

Ihr kennt das ja: Ihr wacht auf und seid woodupenk aus der Hüfte voll Stoff bereit, dieser bitteren Welt eine humorige Geschichte entgegen zu schreiben. In aller Eile erledigt Ihr die Morgenroutinen, verbrennt Euch die Zunge, hustet Teile der Lunge durch den Raum, setzt Euch an den Rechner, hebt die Hände und … lasst sie wieder sinken.

Die Muse pennt immer noch, - oder schon wieder. Na gut: Schon wieder immer noch! Voll Stoff Bereitschaft (schöön gesagt) genügt eben nicht. Dafür aber klopft es leise. Typisch! Immer wenn ich gerade mitten in der Arbeit stecke.

Da ist niemand an der Tür. Nur ein seltsam geformter und gemusterter Stein liegt auf der Schwelle. Nein, keine kichernden Kinder in der Nähe. Sieht auch nicht wie eine Autobombe aus, so ohne Auto, ist aber höchst anmutig geformt, ganz mit ohne scharfen Kanten. Hm. Und Hm-hm. Ein ähnliches Artefaktum habe ich doch schon mal gesehen? In einer populärwissenschaftlichen Zeitung? Hm-hmmmmal ausprobieren. Ich blicke etwas unsicher um mich, schließlich ist die Herkunft des Steines nicht ganz geklärt, es könnten ja doch schlecht erzogene Kinder dahinter stecken. Dann drehe ich den Stein in mehrere erfolgversprechende Positionen; stets richtete er sich wieder in die ursprüngliche Stellung auf. Ein Gömböc! Ganz klar.

Aber … wachsen einem Gömböc plötzlich Beinchen? Krabbelt ein Gömböc wie in Zeitlupe an dem verblüfften Poeten vorbei? Drückt ein anständiger Gömböc etwa erektiv ein Köpfchen hervor, so wie eine Tube den Pfropfen?

Ein mobiler Gömböc! Eine Geochelone elegans! Eine Sternschildkröte.

Zwei weise Augen betrachten mich in jurassischer Gelassenheit, leicht schielend. Ich verstehe ad hoc, trage meinen neuen Hausbewohner für genauere Bemusterung zu dem Tisch mit Rechner, und lasse ihn von dem leeren Bildschirm partizipieren.

Als die Inspiration endlich aufsteht und mir augenreibend über die Schulter blickt, schicke ich sie wieder fort. Ich bräuchte sie heute überhaupt nicht. Beleidigt legt sie sich wieder hin, nicht ohne der Schildkröte einen bösen Blick an den Panzer zu werfen, wo er wirkungslos abprallt und letztendlich mich zufällig mit Absicht trifft.

Galaxina, so wie ich sie nenne, aber klettert auf die Tastatur, wo sie eine Art Veitstanz in Zeitlupe aufführt.

Wie ich schon mal an anderer Stelle erläuterte, ist es eine statistische Gewissheit, dass irgendwo im Multiversum ein 13-armiger Affe zufällig eine echte Van Gogh Kopie auf die Leinwand bringt, einfach, indem er mit Farbklecksen um sich wirft.

'Salat. Ich will Salat, Gurken und aus irgend einem Grund auch Makrelen. Seit Indien habe ich mich von der Vogeljagd ernährt, ich brauche Vitamine' So steht es auf dem Bildschirm und natürlich laufe ich sofort los.

Die Verkäuferin an der Kasse blickt mich scharf an, als ich mit einem Einkaufswagen voller Pastinaken, Salatgurken und Makrelen atemlos bei ihr ankomme. Sie kennt mich nur als Käufer von Steaks, Milchprodukten und Schokolade. Auch Vitamintabletten und isotonische Getränke erwarb ich bislang noch nie. Nie!

Wie ich mit dem Hackenporsche (tut mit leid, aber ich will nicht schon wieder 'Einkaufswagen' schreiben … Oh Mist!) voller Schildkrötenleckerlis (schließlich hatte meinereiner einen ganzen Euro für den 'Carrycruiser' bezahlt) zu Hause ankomme, packt mich das verblüffte Staunen.

Galaxina hat während meiner Abwesenheit diese Geschichte hier geschrieben. Das nennt sich unter uns Fachleuten vermutlich gebrochene Ellipse, wenn ein Protagonist plötzlich zum Autoren mutiert.

In Zukunft will Galaxina nur noch selber schreiben. Ich soll bloß die Ernährungslogistik handhaben, darf mich aber Vizepräsident nennen.

Seht Euch vor.


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RE: Galaxina

#2 von Sirius , 22.02.2019 20:07

Ein Gömböc ist ein Geschenk für Menschen, die schon alles haben und die gerne geheimnisvoll sagen: Ich habe einen Gömböc! Einen edlen schwarz polierten bekommt man schon für 250 Euro. Wer es billiger haben will, nimmt lieber eine Schildkröte.

https://de.gomboc-shop.com/

Galaxina kann sich hier gerne anmelden und unter diesem Nick schreiben, dann muss ich nicht immer grübeln, ob Karl-Ludwig oder seine Schildkröte den Text geschrieben hat. Die ist mir auch irgendwie sympathischer als dieser vielseitige Affe, der sowohl den Van Gogh als auch das Kamasutra hinbekommt, während ich erst auf Seite 612 bin und nicht weiß, wie man aus der Lotos-Stellung nach akkutem Banscheibenvorfall herauskommt.
Wir nehmen also auch Zeitlupenlyrik gerne.
Ansonsten hat deine Story wieder toll unterhalten!
Und Grüße an den Präsidenten!

Sirius


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RE: Galaxina

#3 von Karl Ludwig , 22.02.2019 20:31

Cöbmög wäre dann ein unpolierter Stein, der genau so liegen bleibt, wie man ihn hinlegt?


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RE: Galaxina

#4 von Sirius , 22.02.2019 20:55

Dann wäre ja Cöbmög ein ganz gewöhnlicher Stein! Als Vizepräsident darf man nicht wählerisch sein.
Ich würde aber lieber einen Cömbög wählen aus Plexiglas (299.-), die Schildkröte hast du ja schon.
Der fällt immer in seine vererbte Position zurück. So wie ich.

Sirius


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RE: Galaxina

#5 von Karl Ludwig , 23.02.2019 11:38

Galaxina erzählt, bzw. tanzt einen Gedächtnisfandango auf dem Eingabegerät. Sie ziert sich und will nicht im Forum angemeldet werden. Wegen Datenschutz oder so:

„Ich entstamme einer Familie, die große Philosophen und Erfinder hervorbrachte. Mein Urahn erfand diese dekorativen kleinen Höcker auf dem Panzer, welche auf Schildkrötendämonen abschreckend wirken. Auch die hübschen Rückenmuster verdankt die Sternschildkrötenheit unserer Sippe; die Anordnung der Muster und Symbole bedeuten in der geheimen Sprache von Gelox: Unheil dir, du stinkende Spukgestalt aus den Tiefen der Hölle.

Ich habe das nie geglaubt, nein, ich habe es in den Knochen gefühlt: Wie Wahr Und Weise sind die genetisch fest verankerten Kleidervorschriften. Denn siehe: Keine bösen Geister belästigten mich.

Als ich einmal mit meinen Geschwistern Verstecken spielte und im Baum über unserem Revier hockte, kam eine Großsippe aus Radschistan vorbei und sammelte meine ganze Familie ein, um sie an Terrarienbesitzer zu verkaufen. Das entnahm ich ihren Unterhaltungen: „Hier, mindestens 250 Jahre alt. Aber sammelt die jungen, ach was, sammelt einfach alle ein. Die Dinger schmecken lecker aus dem Erdofen.“

Und dann musste ich aus meinem Versteck mit ansehen, wie Ur-ur-ur-ur- und Ur-ur-ur- und Ur-ur- und Ur-Opa bei lebendigem Leibe gegart und ausgelöffelt wurden.

(Anmerkung vom Vizedirektor: Ihr weißt ja, dass der Sucher nach der Wahrheit immer ganz weit weg sucht. Die Inder schicken ihren Nachwuchs an fern entfernte Universitäten, wo sie die Weisheiten der Kameraführung und Tiefe der ausländischen Sprachen erlernen und später zurück lauter Bollywood Filme drehen oder Call-Center eröffnen. Die 'Westler', wozu seltsamer Weise auch die Japaner zählen, kommen tausende von Kilometer weit angereist, um von einem Guru mit organischem Vakuum im Kopf den Lustwandel auf dem Pfad der Erleuchtung zu erlernen.)

Meine bisherige Wahrheit war gelogen! Dieser Panzer schützt nicht gegen Dämonen und erst recht nicht gegen Menschen! Und also machte ich mich auf, die wahre Wahrheit zu suchen. Mir war klar, dass zwischen mir und der Erkenntnis jede Menge zu durchquerendes Gelände liegen muss, denn Erleuchtung findet man nicht zwischen Tür und Angel, sondern wie vom Vize angemerkt, immer nur sehr weit entfernt.

Kann sich jemand vorstellen, welche Probleme ich zu lösen hatte, um Dich, ja, DICH! zu treffen? Guck nicht so verblüfft. Ganz einfach. Einer der Speisenden wischte sich etwas Großvater aus dem Bart und meinte zu einem anderen, der gerade auf die Galle von Ur-ur-Opa biss und ein entsprechendes Gesicht zog:

„Weißt Du, ich habe nur ein einziges Mal in meinem Leben einen echten Meister der Lebenskunst getroffen. Echt! Der Typ stand auf, zog Einen durch und ging ins Bett. Später erhob er sich um Einen durchzuziehen und sich wieder hinzulegen. Irgendwann, bei der fünften Wiederholung etwa, blieb er stehen. Danach ging er zum Markt, kaufte Obst und Milch, besuchte die 'Paradies Pharmacia' und auf alle Fragen wusste er eine Antwort: „Na und!“ Oft begleitet von angedeutetem Schulterzucken. Wie? Die Fata Morgana war gar keine und der Laster hat dich mitten in der Wüste überfahren? Na und? Ein Nachtmaar hat deine Beine versteckt? Na und? Deine Tante ist in eine Wurstmaschine gefallen? Na und?

Ein mächtiges Mantra aus dem Mund eines Meisters der perfekten Erfüllung. Falls ich es jemals bis nach Deutschland schaffen sollte, werde ich ihn besuchen. Da, guckt mal. Ich besitze sogar noch seine Visitenkarte. Berufsbezeichnung: Experte.“

Ich notierte mir die Adresse in mein Elefantengedächtnis. Aus dem Versteck herab konnte ich ja alles sehen. Nicht alles, was ich sah, wollte ich sehen.

Erst musste ich über Pakistan, Iran, Irak und die Türkei bis nach Europa gelangen. Durch Kriegsgebiete! Überall dezimierten sich die Leute gegenseitig, nur weil sie Recht hatten und die Waffen dieses zu begründen. Da wäre ich niemals heile durchgekommen.

Ich schaffte es bis zum Flughafen in Delhi. Frag mich mal, was ich dafür alles ertragen musste“

„Äh. Was denn?“

„Ach, frag nicht. Dort versteckte ich mich so lange unter einer Parkbank, bis sich ein hübsches Hippiemädchen darauf setzte. Ich musste verdammt lange warten, hübsche Hippiemädchen sind nämlich selten geworden. Ich kroch hervor und blickte die Blumenbekränzte mittleidheischend an. In Wirklichkeit zeige ich ja immer den selben Gesichtsausdruck und die Interpretation liegt alleine im Auge des Betrachters. „Oooch, wie süß. Dich nehme ich mit.“

So kam ich ohne Kriegsverletzungen bis nach Hannover.

Der Rest von der Strecke wäre nur noch Formsache, so dachte ich. Ja, Pustesalat. Ich brauchte viele Wochen. Immer auf der Hut. Einmal trug mich ein Hund zwei Kilometer in die falsche Richtung. Ich durchquerte wilde Wasser und weite … Weiten. Und nun will ich eine Erklärung! Hast du es?“

„Was denn?“

„Erleuchtung. Durchblick. Kannst du mir Deinen goldenen Pfad zeigen?“

„Nö.“

„Bitte?“

„Ich kenne keinen 'Goldenen Pfad'. Jeder Weg hat seine Fehler, denn zur Wahrheit gibt es keinen Pfad. Wahrheit ist lebendig. Nur tote Dinge haben einen Weg. Muss man erleben.“

„Das ist ja schrecklich!“

„Nein. Das ist egal!“


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RE: Galaxina

#6 von Jonny , 24.02.2019 08:50

Genau die richtige Lektüre zu meinem Morgenkaffee.
Deine Geschichten halten immer eine Überraschung bereit und immer wieder staune ich
über deinen Einfallsreichtum.
Lass Galaxina weitertanzen, Karle!

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RE: Galaxina

#7 von Karl Ludwig , 24.02.2019 09:35

Danke. Zumal ich das immer öfter nötig habe.

Du selber scheinst ja immer noch nach der Frau Deines Lebens zu suchen und verflossenen Lieben hinterher zu nostal-gieren, so wie ich Deinen Gedichten entnehmen muss. Bist Du inzwischen nicht zu alt und hässlich dafür? (Das Lachen soll ansteckend wirken)

Ich jedenfalls bin es. Hat auch etwas Beruhigendes an sich, wenn man nicht mehr jedem Rock hinterherhechelt.

Hat Geloxina schon erzählt, wie sie bei Sehnde in eine Diskussion zwischen Anhängern von Xenon und Gegnern desselbigen kam: Die Xenoniker gewannen, indem sie das Tier in eine Schleuder spannten und die Flitzebögen ihrer Kontrahenten ansägten. Aber immerhin war es die richtige Richtung. Leider landete Gelonida auf einer Freiluftbowlingbahn.

Zu viele Löcher für eine Bowlingkugel, zu wenige um als Teesieb durchzugehen. Sie wurde gepitcht und flog auf das Trainingsgeläde von Kugelstoßern. Usw. Usf.

Neuerdings verlangt sie Brausepulver zu den Makrelen, na, halt eine Ausländerin, sonst wüsste sie, dass man Makrelen in flach gekloppte Negerküsse dippen tut.


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RE: Galaxina

#8 von Jonny , 24.02.2019 10:46

Da hast du nicht unrecht, Karle!
Kommt immer öfter vor, dass man mich in Thailand "Papa" oder "Onkel" nennt.
Woran das wohl liegt?
Na Gelotina scheint ja sehr aktiv zu sein.
Und über Geschmack lässt sich nicht streiten.
Beide Zutaten sind aber sehr exotisch...

Jonny - zurück im Alltag.

 
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RE: Galaxina

#9 von Karl Ludwig , 28.02.2019 08:17

Meine Sternschildkröte Galaxina hat mich verlassen. Sie meinte, dass es unter ihrer Würde sei, hier in einem Literaturforum als mittelschlechter ausgerechnet Running Gag ständig aus ihrer meditativen Gelassenheit gerissen zu werden. Und außerdem könne sie so viel geballte Dummheit, wie in den Medien menetekelkesk verkündet, nicht länger ertragen.

Das ist aber nicht weiter tragisch! Aufgrund von morphischer Resonanz ist ein Teil ihrer Selbstaufrichtigkeit, ich meine diese, ihre Neigung sich gömböckig immer wieder aus den schlimmsten Umgedrehtheiten zu befreien und unbeeindruckt einfach weiter zu machen wie gehabt, auf mich rüber osmosiert. Ich sehe die Welt nun mit anderen Augen, unergründlich, knopfig und heftig mit Ringen versehen.

Die 2-D Elefanten hinter der Tapete waren ja auch leicht angesäuert. Meine … äh … , genau, meinte auch, dass sie gar nicht eifersüchtig wäre, und wir wissen ja alle, was das bedeutet: Letzte Warnung! Und ich selber möchte auch mal wieder Pastinaken mit Makrelen genießen, ohne dass mir das Essen aus der Hand gerissen wird.

Möge sie in Frieden ihren eigenen Weg finden, den entlang zu krabbeln angeblich auch schon das Ziel sei (Deprimierende Annahme, finde ich).

Solange ich persönlich nicht krabbeln und mit dem Schwänzchen wedeln muss, will ich doch schon zufrieden sein.


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RE: Galaxina

#10 von Sirius , 28.02.2019 19:45

Oh, das tut mir leid, dass deine Schildkröte rausgemacht hat. Bist du jetzt trotzdem noch Vize-Präsident?
Aber es freut mich auch, dass zumindest intelligente Tiere ihre Prinzipien haben und auch eine Konsequenz zeigen, die wir immer zugunsten unseres Egoismus aufgeben.
Nun kannst du in Ruhe den Zweig zu Ende lesen.

Sirius


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