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RE: Buchkritik. Heute: Magellan

#1 von Karl Ludwig , 26.02.2019 10:02

Zur Zeit versuche ich Stefan Zweig zu lesen. Logisch kenne ich den; das war doch der, welcher die Schachnovelle schrieb, zum Schrecken aller Gymnasiasten, die daraufhin NIE wieder etwas von diesem Typen lesen wollten. So viel zum Thema 'Obrigkeitsdefinierte Literaturliebe'. Die kann man nicht verordnen, die muss bedarfsgerecht wachsen, - falls möglich.

Ich aber, gereift, weise, souverän, integer, abgeklärt und außerdem stets bemüht ein guter Mensch zu sein, wollte mein Vorurteil überprüfen und mir seinen Magellan antun. Bin inzwischen auf Seite 10, man sollte aber berücksichtigen, dass der Text selber auf Seite 9 mit einer Einleitung beginnt.

Schon der erste Absatz haut mich fast um, aber Gottlob sitze ich ja: 'Bücher können in Gefühlen verschiedenster Art ihren Ursprung haben. Man schreibt Bücher, angeschwungen von Begeisterung oder angeregt vom Gefühl einer Dankbarkeit, ebenso aber kann wiederum Erbitterung, Zorn und Ärger geistige Leidenschaft entzünden. Manchmal wird Neugier zum Antrieb, die psychologische Lust, sich selber im Schreiben Menschen oder Geschehnisse zu erklären, aber auch Motive bedenklicher Art wie Eitelkeit, Geldlust, Freude an der Selbstbespiegelung treiben allzu häufig – zur Produktion; eigentlich sollte sich darum ein Autor bei jedem Buche Rechenschaft geben, aus welchen Gefühlen, aus welchem persönlichen Bedürfnis er seinen Gegenstand gewählt hat. Bei dem vorliegenden Buche bin ich mir selber des innern Ursprungs vollkommen klar. Es entstand aus einem etwas ungewöhnlichen, aber sehr eindringlichen Gefühl: aus Beschämung.'

Dann erklärt er NOCH umständlich, wie er sich ob diesem eindringlichen Gefühl doch arg schämte, da er während einer längeren Seereise ungeduldig wurde. Und deswegen schrieb er das Buch. Weil Magellan es nicht so komfortabel hatte.

Erstaunlich. Aber wenigstens ließ er die Gier nicht unerwähnt.

Ich hätte was Anderes geschrieben, weil ich solch hehren Gefühlen nicht Ausdruck verleihen kann, da ich sie nicht besitze:

Man hat Bock, sich hinzusetzen und die Zeit tot zu schlagen: Zuallererst benötigt es autistische Neigungen, ganz alleine ständig am Großen Werk zu schreiben, was dazu führt, dass der Dichter zu selten an die frische Luft kommt. Deswegen reflektiert er die unmöglichsten Dingsdabumsda bei sich, so wie auch die Schreiberin dieser Zeilen: Galaxina, die Sternschildkröte.

(Anmerkung vom Vizepräsidenten, der hier nur die Rechtschreibung überprüfen sollte, wofür er denkbar schlecht gerüstet ist: Ach, wie gerne hätte ich ein Gömböc-Seele, die sich immer wieder von selber aufrichtet.)

Ich komme einfach nicht mit der Sprache klar. Sie ist mir zu bemüht, aus Worten einen Schleier von Tiefe und so zu erzeugen. Kein Mensch, und erst recht keine Sternschildkröte, empfindet auf diese Weise, wie Stefan es da von sich behauptet, und falls doch, sollte betreffende Person ihren Sicherungskasten wieder an die Wand dübeln.

(Wir ziehen immer eine Kosten-Nutzen-Rechnung zu Rate. Unbewusst und geformt von Emotionen, die unser Denken geprägt haben. Zur Zeit tun einige Psycholeute so, als ob sie eine neue Entdeckung gemacht hätten. Der Vizepräsident.)

Wenn ein Zweig ständig alleine rumdröselt, anstatt mit den Jungs ordentlich einen drauf zu machen, MUSS es doch zu Depressionen kommen und dann hilft nur noch als Ausdruck von tief empfundener Eigenkritik der suizidale Abgang. Von dem weiß ich dank Wiki aber erst, nachdem ich obige Schmähung los wurde, sonst wäre ich nicht so hart vorgegangen. Scheint berühmt zu sein. Da steht auch, besser als von mir beschrieben, gleich ein kompletter Abwasch:

Reduzierte man das Werk Zweigs auf vier dominierende Charakteristika, so beschriebe man es vermutlich mit den Begriffen Tragik, Drama, Melancholie und Resignation. Nahezu alle Werke Zweigs enden in tragischer Resignation; der Protagonist wird durch sowohl äußere als auch innere Umstände am Erlangen seines Glücks, welches unmittelbar erreichbar scheint, gehindert, was damit umso tragischer wirkt (Meint: Der Typ hat es schlicht und ergreifend nicht drauf gehabt).

Ich will in den nächsten Monaten bis Seite 15 kommen. Dann erzähle ich mehr über meinen Gang nach Canossa.


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RE: Buchkritik. Heute: Magellan

#2 von Sirius , 26.02.2019 19:46

Gefällt mir gut, deine Buchkritik. Für jemand, der nur zehn Seiten gelesen hat von einem Buch, das auf Seite 9 anfängt, ist sie sogar großartig. Insgesamt ist es aber mehr eine Autorenkritik. Sag das deiner Schildkröte.

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RE: Buchkritik. Heute: Magellan

#3 von Karl Ludwig , 27.02.2019 14:32

Gemach, gemach. Dieses Buch wäre ohne seinen Verfasser nicht erklärbar.

Meine Schildkröte ist schon auf Seite 73 und meint: Gut recherchiert, wie ich annehmen darf. Ein sogenannter Großer Entwurf. Und eine großartige Umsetzung. Wenn man sich erst eingelesen hat, fluppt es.

Der Stil ist schwülstig; obwohl Stefan nicht drumherum redet, welch Gräueltaten die Kolonisation der Welt über die selbige brachte, kann sie sich aber wohl nicht ganz entscheiden, ob er das nicht doch für bewundernswert halten soll: Das kleine Reich Portugal, welches solche Macht und Größe erreichte ... der Autor spart nicht mit Gobelin und Fransen.

Dass der Papst die neu entdeckten Länder unter Spanien und Portugal aufteilte, war Galaxina bekannt.

(Nun kenne ich auch die Hintergründe. Man lernt nie aus – zumindest ich nicht. Der Vize)


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RE: Buchkritik. Heute: Magellan

#4 von Sirius , 27.02.2019 20:39

Wichtig ist ja eigentlich nur, dass es dir Freude bringt. Das Lesen und darüber schreiben.
Ich bin schon auf deine Schildkröte neidisch. Und nicht mal Vizepräsident.
Danke, Karl-Ludwig.

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RE: Buchkritik. Heute: Magellan

#5 von Karl Ludwig , 05.04.2019 09:17

Galaxina hatte mich doch verlassen, so wie ich in einem anderen Beitrag schilderte, und so wie alle Frauen und guten Geister, denn ich bin inzwischen auf Seite 291 und kann nicht mehr.

(…) in drei Tagen, am Ostersonntag, wird der schlimme Tag sich jähren (…) wie viel Unheil, wie viel Qual, wie viel Not, (…) die grässlichen Tage des Hungers, der Entbehrungen, die Sturmnächte, in fremder See. Hinter ihm liegt die Qual aller Qualen, die entsetzliche Unsicherheit, die ihm Monate und Monate die Seele gewürgt, die brennenden Zweifel (…) usw.

Über mehrere Seiten beschreibt er die Größe der Tat, wo mir ein einfaches: Endlich! genügen würde.

Jeden Furz seines Protagonisten muss er seitenlang darstellen, erklären, verklären. Nicht als ernst zu nehmende wissenschaftliche Abhandlung der Fakten, sondern als Hymne an einen Übermenschen.

Na-ja. Vielleicht waren damals die Zeiten so.

… und 'Pathos' kommt von 'Pathologisch'.


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RE: Buchkritik. Heute: Magellan

#6 von Sirius , 05.04.2019 19:29

Du hast echt zu leiden, hm? Dabei heißt es doch in jedem Schreibseminar: Keine langen Sätze, schon gar nicht verschachtelt. Keine ausufernden, dem Leser langweilenden Essays, zum Kern der Sache kommen, Brüche einbauen, Spannungsbögen erzeugen usw. Doch Zweig und all die anderen Konsorten halten sich nicht daran.
Und dann würden sie sich wundern, wenn sie noch könnten, dass du bereits nach 15 Seiten die Schnauze voll hast.
Dz. Dz.

Sirius


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RE: Buchkritik. Heute: Magellan

#7 von Karl Ludwig , 05.04.2019 21:32

Hey, ich bin wirklich auf Seite 291! Allerdings habe ich Seite 15 bis 290 übersprungen.


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