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RE: Psychologiephilosophie (Kaum esoterisch)

#1 von Karl Ludwig , 07.03.2019 08:45

oder: Die Polarisierung der Wahrnehmung

Manchmal schlage ich die Zeit tot, bis der Kaffee, das Kawumm und die Schmerztabletten (Leider bloß Ibuprophen) wirken, indem ich die von Pocket vorgeschlagenen Themen anklicke; was allerdings 'Pocket' ist habe ich noch nicht herausgefunden, vermutlich weil es mich nicht interessiert.

Oha, unter: https://krautreporter.de/2783-die-welt-i...s-als-du-denkst finde ich etwas Interessantes. Natürlich bin ich als mündiger Informationskonsument vorschriftsgemäß skeptisch. Ich finde diese Gesundbeter, möglichst idiotologisch verbrämt, einfach nur Panne. Die Welt ist Scheiße, bzw. die Leute sind es. Das kann ich schließlich jeden Tag überall nachlesen (sogar hier im Forum).

In dem Artikel vom Krautreporter steht z.B.:

1950 betrug der Anteil von Kindern zwischen 5 bis 14 Jahren, die unter schlechten Bedingungen Vollzeit arbeiteten, weltweit 28 Prozent – 2012 waren es nur noch zehn Prozent, Tendenz sinkend.

1900 betrug der Anteil der Erdoberfläche, die als Nationalpark oder Naturschutzgebiet ausgewiesen war, 0,03 Prozent – 2016 waren es 14,7 Prozent, Tendenz steigend.

1816 lebten rund ein Prozent aller Menschen in einer Demokratie – 2015 waren es mehr als die Hälfte. 56 Prozent, die in einer Demokratie leben und damit Minderheitenschutz, persönliche Freiheit und Menschenrechte genießen.

Tja, und es gäbe noch mehr positive Entwicklungen: In den letzten 20 Jahren hätte sich die extreme Armut weltweit halbiert, mehr Mädchen als jemals zuvor bekämen eine Schulbildung, zu keinem anderen Zeitpunkt hätte es weniger Kriegstote gegeben, die Kindersterblichkeit läge auf einem Level, das noch nie so niedrig war wie heute.

All das wären Fakten – bloß würden wir sie nicht wahrnehmen wollen.

Gut. Ich fühle mich angesprochen. Das mit der selektiven Wahrnehmung aufgrund von emotionalen Vorurteilen (welche entstanden sind in den Jahren, welche man so gedankenlos als die 'prägenden' attributiert), ist mir bewusst. Deswegen verzichte ich auch meistens auf eine Meinung. Und irgendwann mogelt sich die zum Gesamtkonzept unpassende Information dann DOCH an der Spielverderberin Amygdala vorbei. Und ich glaube etwas Eigenes zu denken! Das tut auch gar nicht weh. Nein, ich begrüße jeden neuen Gedanken wie einen lästigen Freund.

Doch denke ich wirklich Eigenes? Was ist überhaupt unvoreingenommenes Denken? Denken steht doch immer im keifenden, selten von Harmonie geformten Monolog mit der Umgebung, das Ein- oder Andere an schräger Verpeiltheit fängt man sich da schon ein.

Das fängt mit meinem biologischen Erbe an, geht weiter über Sozialisation und endet nach einem Leben als Marionette an vielen unbekannten Fäden in der sogenannten verdammten Sturheit.

Meine Hand krabbelt im Alleingang in Richtung Schnorchelkraut, die Welt und die Menschen sind DOCH nicht so schlecht, mein Mund verzieht sich, ob aus Vorfreude oder Selbstironie soll Berufener entscheiden, und das ganz objektiv: Für heute habe ich genug für die Weltliteratur verbrocht.


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RE: Psychologiephilosophie (Kaum esoterisch)

#2 von Sirius , 07.03.2019 19:40

2012 haben also nur 10 % der Kinder zwischen 5 (!) und 14 in Vollzeit gearbeitet.
Na, wenn das kein Grund zum Jubeln ist!

Wenn die Kindesmißbrauchrate sinkt, weil die Zahl der verurteilten Kinderschänder zurückgeht, ist das denn eine positive Nachricht? Für mich oder dich oder nur den Kinderschändern?
Und das, was in diesem Land vor sich geht, ist also wirklich Demokratie? Für alle oder nur für jene, die sich Demokratie kaufen können?
Und ist es nicht eine gute Nachricht für einen Obdachlosen, wenn ein Polizist ihm keine Ordnungsstrafe gibt, weil er sich „irgendwo“ aufhält, wo die Leser guter Nachrichten es nicht so sehr wünschen?

Wenn die Welt schlecht ist, weil die Menschen schlecht sind, machen dann gute Nachrichten diese Welt besser? Ist es nicht toll und gerade chic und fein, auf Kinder einzudreschen, weil man gefälligst in Ruhe mit seinem verdreckten Diesel über die Autobahn brettern möchte? Und wenn diese Schulschwänzer dann mal ordentlich übers Knie gelegt werden, ist das dann eine gute Nachricht? Bestimmt, aber nur für den Dieselfahrer.

Ich habe nichts gegen gute Nachrichten, die man ja erst suchen muss, während die schlechten nur so sprudeln, aber sie verwandeln eine Scheißwelt nicht in eine gute.
Und ist sie schon allein deshalb gut, weil unsere Kinder nicht in Kobalt-Minen arbeiten müssen und wir auserwählt sind, Nazis zu wählen?
Man kann das Gute herbeireden, wenn das Schlechte schon da ist. Aber wenn Menschen verrecken müssen, weil das gut für uns ist, dann macht das die Welt und uns noch lange nicht gut.

Nicht mißverstehen: Dies ist keine Kritik an deinen Beitrag, sondern nur meine Einstellung gegenüber Menschen, die drei gute Nachrichten mit tausend schlechten verrechnen können.

Sirius


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RE: Psychologiephilosophie (Kaum esoterisch)

#3 von Karl Ludwig , 08.03.2019 06:21

Auf jeden Fall jedenfalls ist es so ziemlich egal, ob es früher schlechter war oder besser. Das was heute schlecht ist ist ausreichend schlecht sich tierisch darüber aufzuregen, wenn man dazu neigt. Außerdem ist es unzulässig, wie Du schon anmerktest, schlechte Nachrichten mit guten zu verrechnen. Und zusätzlich ist Leiden individuell, nicht statistisch und eine einzige zwangsbeschnittene Frau ist zehn zu viel, und ein Nazi ist 100 zu viel.

Aber ich werde nicht meine Restfreude an meinem Restleben zu Gunsten der allgemeinen gerechten Empörung opfern. Diese (Nur ein Beispiel) Verbissenheit von Wolfsfreunden und ähnlichen Erzwingern der natürlichen Natürlichkeit von wilder Natur inmitten einer Industrienation macht mich staunen, - wie viele gerissene Weidetiere ist ein Wolf wert und sind die Rechte der Schafe auf ein erfülltes Leben geringer zu achten als das Recht der Wölfe auf Nahrung? Vermutlich wird dieser Problemwolf in einer Problemumgebung an Altersschwäche sterben, aber bis dahin viele Leute und Gerichte beschäftigt haben. Dabei brauchte man die Wölfe doch nur auf Pastinaken und Makrelen einstellen. Mit Pawlow und Mendel. Und wenn das nicht funzt, dann eben genchirurgisch.

Ich glaube, die Leute brauchen eine Ersatzreligion und die ist dann genau so vernünftig wie alle anderen Hirnfucks. Ob das nun Nationalismus ist oder Eigenurinkur, Esoterik, Drogensucht, Konsum as Konsum can, Internetabhängigkeit, … (dieser Platz ist den Einfällen des Lesers zu dazu vorbehalten)

Na und? (Mein mächtigstes Mantra)

Ich glaube nämlich auch, dass die ANDEREN endgültig gewonnen haben, wenn wir nicht mehr lachen können.

Aber warum rechtfertige ich mich überhaupt? Ist da etwa noch ein rudimentärer letzter Rest an Weltenrettertwunsch in mir vorhanden?

Na und?


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