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RE: „Die Dichter alle dichten“

#1 von Sirius , 28.05.2019 19:12

„Die Dichter alle dichten“

Schiefe Bilder, gnadenloser Reimzwang, humanistisches Pathos und unbedingter Glaube an die eigene poetische Sendung – Friederike Kempner galt schon Sigmund Freud als Paradebeispiel für die „unfreiwillige Komik der Rede“. Der Auftakt zur Serie „Zu Recht vergessen – Die besten schlechten Dichter aller Zeiten“. Von Karin Wozonig.

Enthülle nie auf unedle Art die Schwächen deiner Nebenmenschen, um dich zu erheben, ziehe nicht ihre Fehler und Verirrungen an das Tageslicht, um auf ihre Kosten zu schimmern.“ Diesen bedenkenswerten Rat des Freiherrn von Knigge zu befolgen, macht uns Friederike Kempner (1828–1904), auch genannt der schlesische Schwan, nicht gerade leicht. Ihre Gedichte sind auf eine so lächerliche Art missglückt, dass sie schenkelklopfende Heiterkeit hervorrufen können. Nicht bei allen kommt die Kempner-Lyrik gleich an, aber es gibt Menschen, die können Tränen lachen bei Versen wie diesem:

Und die Rosse, wie arabisch
Ihre Blicke leuchten,
Wie die glänzend schwarzen Haare
Helle Tropfen feuchten!

Und dabei ist der Gegenstand des balladenartigen Gedichts, aus dem diese Strophe stammt, kein bisschen lustig, im Gegenteil. Drei Tscherkessen, also Bewohner des westlichen Kaukasus, reiten auf ihren arabischen Rossen auf der Suche nach Freiheit nach Preußen, und zwar drei Tage und drei Nächte ohne Unterbrechung, was der Grund dafür ist, dass die Rosse gefeuchtet sind. Die Reiter werden von den Preußen aber nach Russland zurückgeschickt und dort hingerichtet. Da gibt es nichts zu lachen. Aber Kempner wurde nicht umsonst als Meisterin der unfreiwilligen Komik bezeichnet, und wie kann man bei einer Szene wie dieser ernst bleiben:

Horch, da öffnet sich der Schlagbaum,
Und am Brückenkopfe
Nicken durch die hohle Öffnung
Russen mit dem Kopfe.

Friederike Kempner nahm sich in ihrer literarischen Arbeit ambitioniert einiger Themen an, die durchaus schwer wiegen und bei denen sich das Lachen verbietet. Ein besonderes Anliegen war ihr die Errichtung von Leichenschauhäusern, um das Begraben von Scheintoten – eine zu ihren Lebzeiten durchaus realistische Gefahr – zu verhindern, ein anderes das Verbot der Einzelhaft. Kempner ergreift auch Partei für Proletarier und andere Unterprivilegierte und schreckt nicht davor zurück, Gott für Missstände mitverantwortlich zu machen.

Wollte Gott
Die dunkelgrünen Tannen
Auf grünem Rasenland,
Darüber Sonnenstrahlen 
Und Himmel ausgespannt.
Die Sonne ist gesunken,
Die Senner geh’n nach Haus,
Zerlumpte, bleiche Leute,
Sie seh’n gespenstisch aus.
Ihr schönen grünen Tannen,
Ihr glänzt im Abendroth,
O wollte Gott, so hinge
An euren Zweigen Brot!

Und Kempner singt Loblieder auf Landschaften, Vögel, Hunde und Blumen, wenngleich diese Gegenstände mitunter Veränderungen bis zur Unkenntlichkeit erfahren.

Weiterlesen:

https://volltext.net/texte/friederike-ke...r-alle-dichten/


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Sirius
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