Marica Bodrožić: Die Arbeit der Vögel
In "Pantherzeit" hat die Schriftstellerin Marica Bodrožić von ihrer Wahrnehmung erzählt, wie Corona unsere Welt verändert. Ihr neues Buch trägt den Titel "Die Arbeit der Vögel - Seelenstenogramme".
Der Weg führt nach Port-Bou, an jenen spanisch-französischen Grenzort an der Mittelmeerküste, von wo aus am Ende des Zweiten Weltkriegs viele Menschen auf der Flucht vor den Nationalsozialisten einen Weg in die Freiheit suchten. Der jüdische Philosoph Walter Benjamin nahm sich hier 1940 das Leben, nachdem ihm der Grenzübertritt nach Spanien verweigert worden war. Die Ich-Erzählerin, bei der getrost an die Autorin gedacht werden darf, folgt diesem letzten Lebenspfad Benjamins und fühlt sich ein in dessen Erfahrungen von Flucht und Vertreibung. Seine Texte begleiten sie ebenso wie ihre Erfahrungen, die sie einst als Kind aus einem dalmatinischen Dorf in die hessische Provinz hat übersiedeln lassen:
Das Unbekannte, der Fremde, das Fremde an sich, ist eine uns von Natur aus zugewiesene Kategorie. Es gibt keinen Menschen, der nicht in seiner Existenz diese Erfahrung gemacht hätte.
"Seelenstenogramme" nennt Marica Bodrožić ihr Buch im Untertitel und sie selbst tritt dabei auf als Stenotypistin auf Seelenreise. Was die in ihr atmende Seele ihr zuflüstert, übersetzt sie in eine packende poetisch-prosaische Sprache, inspiriert von all ihren literarischen Vorgängern und Wegbegleitern und dennoch ganz eigen. Da ist nicht nur Walter Benjamin, sondern auch die deutsch-US-amerikanische Philosophin Hannah Arendt, der russische Dichter Ossip Mandelstam und die französische Denkerin Sarah Kofman. Sie alle mussten erfahren, dass die Gedanken zwar frei sind, aber dass diese Freiheit in Diktaturen als Bedrohung bekämpft wird. Auch in unserer Gegenwart findet die Autorin dafür zahlreiche Beispiele:
Der Dichter hat mit seiner Sprache gelebt. Er hat von ihr Gebrauch gemacht, wie ein Mensch von seinem Verstand gebraucht macht. Genau das hat der Dichter Ashraf Fayadh getan. Er hat Gedichte geschrieben und ist nun zum Tode verurteilt.
Mehr als drei Jahre hat Marica Bodrožić an ihrem Buch "Die Arbeit der Vögel" geschrieben. In diesen Tagen der Veröffentlichung hat es durch den Krieg in der Ukraine eine bedrückende Aktualität bekommen. Der Krieg vertreibt aus den Menschen das Menschliche, macht sie zu reinen Funktionsträgern, zu Nationalisten und Grenzkämpfern. Marica Bodrožić hält dagegen und schreibt an ihrem Plädoyer für das Menschliche fort, das ihr ganzes Werk umspannt.
"Die Arbeit der Vögel": Ein literarischer Schatz
Einmal erzählt Marica Bodrožić eine Episode aus dem Leben des Vaters einer Freundin, der in Tel Aviv lebt. Die Anekdote steht wohl für alles, was sie sich vom Leben erhofft, wenn sich das Unmenschliche mal wieder Bahn bricht:
Immer wenn sich wieder jemand in die Luft jagt und andere in den Tod mitnimmt, kommt sein palästinensischer Freund zu ihm und sie reden miteinander. Sie können nichts tun, aber sie wollen einander nicht vergessen. (…) Vögel fliegen vielleicht vorbei, wenn die beiden Tee miteinander trinken. Die Arbeit der Vögel vollzieht sich immer auf dieselbe Weise. Ganz gleich, was in der Welt geschieht. Die Arbeit der Vögel ist leise. So leise wie das Leben der Menschen kurz ist.
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