Heimat -
Spiele unterm Tisch,
traurige, angesägte Bäume,
abgepackter, billiger Fisch.
Erdige Sommer,
zweite, zitternde Liebe,
beißende Hoffnung,
beide Hände stinkend im Getriebe.
Wo die Liebe Teil des Sterbens ist,
eine Seele die andere frisst,
wo die Dinge in den Schränken
immer klein.
Heimat -
ist der Strick, aus dem ich blute,
ist Vergessen,
kehliges Verzeihn.
(weegee)
Nicht erst morgen, heute komm zum Rosengarten. (Pierre de Ronsard)
Beiträge: | 2.533 |
Registriert am: | 20.12.2016 |
Lieber Jörn,
Ich dachte gerade darüber nach, ob ich über das Thema Heimat bloggen soll, da lief mir dein Gedicht entgegen.. Heimat ist vergessen, kehliges Verzeihen - diese Worte haben mich besonders berührt und auch inspiriert, mich mit dem Thema intensiver auseinanderzusetzen. An der Stelle kann ich nur das Buch von sasa Stanisic „Herkunft“ empfehlen. Ein sprachliches und inhaltliches Meisterwerk wie ich finde.
Alles Liebe und Heimat ist für mich auch, mich in den Buchstaben zu tummeln und ihre unterschiedlichen Perspektiven zu genießen - von der Berg- und Talfahrt des M bis hin zum schützenden O, in dem ich mich sicher fühlen kann.
Liebe Grüße
Anna
Beiträge: | 2.173 |
Registriert am: | 27.01.2016 |
Liebe Ann,
hab vielen Dank für deinen schönen Kommentar. In diesem Gedicht meine ich mit Heimat tatsächlich: HERKUNFT. Meine jetzige Heimat ist: dort, wo es nicht egal ist, dass es mich gibt. (Nicht von mir, habe ich irgendwo aufgeschnappt.)
Und ja: Gedichte sind ein Stück Heimat, im besten Fall fühlt man sich dort aufgehoben.
LG, Jörn
Nicht erst morgen, heute komm zum Rosengarten. (Pierre de Ronsard)
Beiträge: | 2.533 |
Registriert am: | 20.12.2016 |
Ein sprachlich wunderschönes Gedicht, auch wenn es inhaltlich nicht immer positiv besetzt ist. Herkunft ist da, wo man hineingeboren wurde, Heimat ist vielleicht da, wo man glücklich ist.
wo die Dinge in den Schränken
immer klein.
Hat mich sehr beeindruckt, weil in der Einfachheit der Worte so große Aussagen liegen können.
Ein Lesezeichen für mich.
Sirius
Reset the World!
Beiträge: | 27.028 |
Registriert am: | 02.11.2015 |
Lyrik ist für mich ein Teil des Auswegs, ein wunderbarer Weg, mit diesen Dingen auch Frieden zu schließen. Ohne meine Herkunft - so oder so - wäre ich nicht der, der ich bin. Jemand, der in Bullerbü hineingeboren wurde, und nie herausgefunden hat aus seiner Märchenwelt, schreibt mit Sicherheit keine Gedichte wie dies.
Schöne Märchen vielleicht. Wunderschöne Märchen vielleicht. Und verdient vielleicht richtig Geld damit. Und ist berühmt und wurde verfilmt. Und Straßenzüge in schönen süddeutschen Mittelstädten werden nach ihm benannt, nach seinem Tod. Und Universitätsinstitute für schönes Schreiben. Also alles Dinge, die ich eh nicht haben will. Gott sei Dank habe ich MEINE schwierige Herkunft und komme nicht aus Bullerbü.
Aber es endet ja positiv:
"ist Vergessen,
kehliges Verzeihn."
Vielen, vielen Dank, Sirius!!!
Jörn
Nicht erst morgen, heute komm zum Rosengarten. (Pierre de Ronsard)
Beiträge: | 2.533 |
Registriert am: | 20.12.2016 |
Lieber Jörn,
und ich darf dir versichern, auch in Bullerbü ächzen und stöhnen die Seelen bisweilen unter ihren ungeweinten Tränen zwischen den Gänseblümchen, die artig weiter nicken als hätten sie nichts von alledem mitbekommen...
Unter jedem Dach ein Ach - wie wahr der Volksmund manchmal spricht.
Liebe Grüße von
Ann
Beiträge: | 2.173 |
Registriert am: | 27.01.2016 |
Und:
Unter jedem First ein kleiner Fürst,
in jeder Bude ein kleiner Lude,
hinter jeder Wand ein Weltenbrand,
in jedem Zimmer ein Gewimmer,
und es sollten wachsen in jedem Keller
kleine, grüne Stimmungsheller.
LG, Jörn
Nicht erst morgen, heute komm zum Rosengarten. (Pierre de Ronsard)
Beiträge: | 2.533 |
Registriert am: | 20.12.2016 |
Ein eigenes Forum erstellen |