„Miroloi“ von Karen Köhler: Ein Mädchen singt sich ein Totenlied
Karen Köhlers Debütroman wird zum Teil erstaunlich aggressiv kritisiert. Dabei erzählt „Miroloi“ klug und spannend von einer Selbstbefreiung.
Das Mädchen hat keinen Namen, kein Woher und kein Wohin. Es ist nicht wie die anderen im Dorf. Was das heißt, erfährt es jeden Tag. Wenn die alten Frauen es „Eselshure“ nennen und die kleinen Kinder ungestraft Steine nach ihm werfen. Wenn es bei der wöchentlichen Andacht allein in der letzten Reihe sitzt. Wenn es seine geliebte Katze Minki erdrosselt vor dem Haus findet und weiß, jeder der Dörfler könnte der Mörder sein. Schönes Dorf wird der Ort genannt, an dem eine Priesterkaste über die Regeln des Zusammenlebens entscheidet, an dem die Männer viel dürfen und die Frauen wenig. Für das Mädchen ist er die Hölle.
Karen Köhler erzählt in ihrem Debütroman „Miroloi“ die Geschichte einer jugendlichen Außenseiterin, die gegen die starren Regeln ihrer Umwelt rebelliert und dabei zu sich selbst findet. Ein klassischer Coming-of-Age-Roman, für den Köhler eine ungewöhnliche Form wählt. „Miroloi“ steht für Totenlied, das Mädchen singt es für sich selbst, in 128 Strophen erzählt es sein Leben. Manche dieser Kapitel ähneln tatsächlich Liedzeilen und bestehen nur aus wenigen Worten. Wie das 37. über die erste verbotene Begegnung mit dem zukünftigen Geliebten: „Ich versuche, ihn zu vergessen beim Aufwachen. Versuche, ihn zu vergessen beim Atmen. Beim Inderweltsein. Den ganzen Tag strenge ich mich an und versuche, ihn zu vergessen.“ Andere Strophen kommen wie längere Tagebucheinträge daher, doch die Grundstruktur verleiht dem Roman einen eigenen Rhythmus, eine besondere Dramaturgie, die das Lesen vorantreibt.
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https://www.fr.de/kultur/literatur/mirol...d-12990154.html
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