Abend
So süß ist Schlaf, so tief ist Ruh,
So gut ists, selig still zu sein;
Nun zieh den weißen Vorhang zu,
Und lass uns ineinander sein.
So trag ich dich, so trägst du mich,
Da dunkelblaue Weiher sind,
Du spiegelst mich, ich spiegle dich,
Bis mählich Bild und Glanz verrinnt, -
Und weht wie Schilf im Abendwind.
So schwer dein Haupt, so klein der Raum,
So schön ists, wehrlos gut zu sein;
Du schläfst: Nun schwimmt auf deinem Traum
Mein waches Sinnen zu dir ein.
Wie glockenzarter Glitzerschaum,
Der zitternd singt im Dämmerschein.
Gertrud Kolmar
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