Ein Blick in die dunklen Ecken der Kindeserziehung
Was ist „schwarze Pädagogik“? Findet sie bei der Erziehung von Kindern im Elternhaus, in den Kindergärten oder den Schulen Anwendung? Es gibt „dunkle Ecken“ in unserer Gesellschaft, wenn es um die Erziehung von Kindern geht. Diese Räume des seelischen Missbrauchs von Kindern hat die Kultur- und Erziehungswissenschaftlerin Sabine Seichter in einem Buch, das nachdenklich macht, ausgeleuchtet. Seichter, die an der Universität in Salzburg lehrt, zeigt auf, wie oftmals in einem perfiden Zusammenspiel zwischen staatlicher Erwartungshaltung und pädagogischen Fehlgriffen sowohl im Elternhaus als auch in den Institutionen das Kind zu einer Art Ware wird. Weicht das Kind (die Ware) von der Norm ab, hat das schlimme Konsequenzen. Im NachDenkSeiten-Interview erklärt Seichter, was unter schwarzer Pädagogik zu verstehen ist und führt aus, dass Erziehung längst nicht immer nur dem Kindeswohl dient, sondern vielmehr auf die „Aufrechterhaltung staatlicher Ordnung setzt“. Von Marcus Klöckner.
„Das Kind ist im Laufe der Geschichte der Kindheit zur Ware geworden. Zum Produkt von Ökonomie, Wirtschaft, Medizin und – nicht zuletzt – von Erziehung.“ Mit diesen Worten beginnt Ihr Buch, das Einblicke in die „schwarze Pädagogik“ liefert. Das klingt düster. Ist es so schlimm um unsere Kinder bestellt?
In meinem Buch blicke ich in die Ecken von Erziehung, die allzu leicht im Dunklen verbleiben, weil niemand gerne in diese hineinschaut. Ecken, in denen Demütigungen und Misshandlungen an Körper und Seele des Kindes und damit vor allem an der kindlichen Würde verübt werden. Praktiken von Macht und Gewalt geschehen sowohl in familiären als auch in institutionellen Bereichen von Erziehung bis heute Tag für Tag. Hätte ich beispielsweise eine Erfolgsgeschichte über die Etablierung der Kinderrechte und von Schutzräumen ein Buch geschrieben, wäre die Erzählung über Erziehung radikal anders ausgefallen. So wurde es eine Dokumentation über Tabus, die zu gerne unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit versteckt werden. Diesen Mantel ein wenig zu lüften, das war meine Intention.
Wann und wodurch ist Ihnen zum ersten Mal aufgefallen, dass im Umgang mit unseren Kindern etwas nicht stimmt?
Ich persönlich hatte das große Glück einer behüteten Kindheit. Eltern, die – im Rückblick betrachtet – ein gesundes Maß von Förderung und Fordern praktizierten, und Schulen, die – freilich ebenso retrospektiv beurteilbar – mich als Person in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellten. All dies ist nicht selbstverständlich. Kindesvernachlässigung, Kindeswohlgefährdung bis hin zu (sexuellen) Gewalttaten stehen leider an der bundesrepublikanischen Tagesordnung. Schulen, die Kinder nicht in ihrer Individualität betrachten, sondern als „Rohstoffe“, die getrimmt und diszipliniert werden müssen, bis sie jene Kompetenzen verinnerlicht haben, die am nächsten Tag in einer standardisierten Leistungserhebung getestet werden. Die Förderung gilt dann strenggenommen nicht mehr dem einzelnen Kind in seiner vielfältigen Besonderheit, sondern mehr und mehr einer objektiven (Alters-) Kohorte, in der unter der sloganhaften Chiffre der „Chancengleichheit“ alle gleich gemacht werden. Diese Tendenzen kann man von dem Kindergarten bis in die Universität beobachten.
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