USBEKISTANS ROMANKLASSIKER
Eine Braut sucht dir deine Mutter, Junge!
Aber zwei Bräute sind eine zu viel: In Abdulla Qodiriys usbekischem Roman „Die Liebenden von Taschkent“ spielt sich der tödliche Konflikt in der Familie ab.
Eine Begegnung am Brunnen, ganz kurz, ein junger Mann und eine Frau, die fast noch ein Mädchen ist, ein Windstoß, der den Gesichtsschleier hebt und wieder fallen lässt, ein Lächeln für den wie vom Blitz getroffenen Jüngling – das ist alles, was es braucht, um eine Entwicklung in Gang zu setzen, die einen Roman von gut 350 Seiten mühelos trägt: „Die Liebenden von Taschkent“ oder, nach dem usbekischen Originaltitel, „Vergangene Tage“ (Ötkan Kunlar). Der Verfasser Abdulla Qodiriy, Sohn eines Kleinbauern in Taschkent, gilt als Vater des modernen usbekischen Romans und „Die Liebenden von Taschkent“ als Hauptwerk einer durch Stalins Terror jäh beendeten Autorenexistenz – Qodiriy, der sich in den zwanziger Jahren als Mitarbeiter von Periodika, zu denen ein Satireblatt zählte, exponiert hatte, wurde im Oktober 1938 als angeblicher Konterrevolutionär und Trotzkist erschossen.
Die Handlung setzt im Jahr 1847 ein, oder, wie es im Roman heißt: „Man schrieb den siebzehnten Tag des Monats Dalv im Jahre 1264 der Hijra“ – diese Chronologie kann man durchaus als ein Mittel des 1894 geborenen Autors ansehen, die kulturelle Distanz seiner eigenen Zeitgenossen zu jener Epoche zu markieren, in der sein Roman spielt und in der man die Jahre noch in muslimischer Zeitrechnung zählte. Damals gehörten Taschkent und Maghilan (oder Margilan) zum Khanat von Kokand im Fergana-Tal im äußersten Osten des heutigen Usbekistans. Dem Khanat stand nicht nur das westlich gelegene Emirat Buchara entgegen, es musste sich auch gegen die russischen Invasionsbestrebungen wehren, die auf den zentralasiatischen Raum zielten und schließlich am Ende des neunzehnten Jahrhunderts auch Kokand ins Zarenreich integrierten.
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