An die Frau
Wenn ich manche Stunde ohne Schlummer
nächtlich liege, heiter, frei von Kummer,
fern von allen zeitlichen Verlangen,
will mich deine Nähe oft umfangen.
Steigst du selbst in Sehnsucht aus den Tiefen?
Hörst du meine Worte, die dich riefen?
Was uns je im Spiegelbildgebunden,
schattennah hat es hierher gefunden.
Ich betast im Dunkel deine Augen,
die so gern für helle Dinge taugen,
hauche lösend über deine Lider
meinen stillsten Atem immer wieder.
Was an Zartem, Leisen mir noch eigen,
möchte ich dir tröstend zeigen,
und ich fühl es: Meine Hände fänden
deine unter vielen fremden Händen.
Da ich deine Haare überstreife,
spür ich kühl den Hauch vom ersten Reife -
übern Jungsein, welches wir verloren,
hast du unsre Söhneuns geboren -
Während wir schon nach Vergangnen fragen,
schauen sie noch hell zu künftgen Tagen,
und du hütest ihrem Blick verborgen,
wie die Zeit uns bannt in düstern Sorgen.
Ja, wie muss ich deine Falten lieben,
die um Stirn und Lippen dir geblieben,
und es sind für mich die wunderbaren
ernsten Zeiten von durchsorgten Jahren.
Was auch sei, dies will ich stets behalten!
Über Tag und Jahr wir zählen zu den Alten -
doch wie stets verbleibt mir deine holde
Gegenwart und zaubert sie in Golde.
Eberhard Meckel
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