Heimliche Großzügigkeit
Zur Amnestie für Taterträge aus „Cum/Ex“-Taten bei verjährtem Steueranspruch durch das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz
Milliarden hat der Fiskus durch die sogenannten „Cum/Ex“-Geschäfte verloren. Geld, das er sich eigentlich im Wege der sogenannten Tatertrageinziehung hätte zurückholen können. Soweit es um steuerrechtlich verjährte Ansprüche des Fiskus geht, hat der Gesetzgeber diese Möglichkeit aber vor wenigen Tagen still und heimlich – und ohne Not – mit dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz versperrt.
„Crime must not pay“ – so lautete die Devise auf deren Grundlage der 18. Deutsche Bundestag mit Wirkung zum 1. Juli 2017 eine tiefgreifende Reform des Rechts der Vermögensabschöpfung im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht beschlossen hat, deren Kern die Regeln über die Einziehung in den §§ 73 ff. StGB bilden. Zukünftig sollte es leichter sein, Straftäter um die Früchte ihres regelwidrigen Verhaltens zu bringen. Insbesondere der Faktor Zeit sollte der Einziehung künftig nicht mehr so oft im Weg stehen wie nach früherem Recht. So können beispielsweise auf Grundlage des neu gefassten § 76a StGB Taterträge (bzw. deren Wert) nun selbst dann noch eingezogen werden, wenn die Straftat, aus der die Vermögenswerte herrühren, bereits verjährt ist und daher für sich genommen nicht mehr verfolgt werden kann. Gem. § 76b StGB verjährt der selbstständige staatliche Einziehungsanspruch erst nach 30 Jahren ab Beendigung der Tat (mit Ausnahme von Mord und Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch, wo die Tatertragseinziehung unbegrenzt möglich ist).
Diese neue Form der selbstständigen Einziehung entkoppelt also die Einziehbarkeit von der Verfolgungsverjährung. Das schafft nicht nur Abhilfe in langwierigen Ermittlungsverfahren gegen übliche Formen der organisierten Kriminalität, sondern entwickelte sich – für den Gesetzgeber wohl in dieser Dimension noch nicht absehbar – zu einem bedeutsamen Instrument bei der Aufarbeitung von Steuerstraftaten durch sog. „Cum/Ex“-Geschäfte. In Folge langjähriger Untätigkeit von Finanzämtern (und anderen Behörden) sind hier nämlich nicht nur viele Steuerstraftaten verfolgungsverjährt, sondern in manchen Fällen sind auch die steuerrechtlichen Rückzahlungsansprüche des Fiskus zahlungsverjährt. Das heißt: Nicht nur, kann der Staat seinen Strafanspruch nicht durchsetzen – er erhält auch die zu viel ausgezahlte Steuererstattung nicht zurück. Das neue Einziehungsrecht stellt – so schien es zunächst – ein geeignetes Instrument dar, um auch in diesen Fällen, die der Strafverfolgung entzogen sind, zumindest die Tatbeute für den Steuerzahler zurück zu erlangen.
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