Coronavirus in Schulen

"Wenn alle über 60 zu Hause bleiben, bricht alles zusammen"

Lehrermangel gab es schon vor Corona. Zum Start ins neue Schuljahr fehlen noch deutlich mehr Pädagogen, weil sie zur Risikogruppe zählen. Wie gehen die Schulen damit um?
Eine Analyse von Parvin Sadigh

Die Lehrerin Regine Brand ist 58 Jahre alt, sie hat Diabetes Typ 1. Gerade bereitet sie in ihrer Schule in Nordrhein-Westfalen den Schulbeginn in der kommenden Woche vor. Sie sagt: "Es tut mir gut, wenn ich etwas gegen das Gefühl der Unsicherheit tun kann." Tische umstellen, Regale aus dem Raum räumen, damit ihre 27 Sechstklässler in dem etwa 58 Quadratmeter großen Klassenzimmer wenigstens etwas Abstand halten können voneinander – und auch von ihr.
Bis zum 4. Juni durfte sie gar nicht arbeiten: Brand zählt zur Risikogruppe und musste zu Hause bleiben. Dabei hätte sie gern unterrichtet. Denn nachdem die Schulen wieder geöffnet hatten, wurden die Schüler in kleineren Gruppen und großen Räumen unterrichtet. Zu der Zeit hätte sie sich auch mit ihrer Erkrankung in der Schule sicher gefühlt. Zunächst hieß es, sie solle zu den Abschlussprüfungen nicht antreten, das musste sie dann aber doch. "Das fand ich auch gut", sagt sie. Schließlich hielten die Schülerinnen dabei sowieso Abstand, weil sie weit auseinandergesetzt werden.

Im neuen Schuljahr ist alles wieder anders: Ab Mittwoch kommender Woche werden in Brands Gesamtschule, die in einem Brennpunktviertel einer Großstadt liegt, von 8 bis 16 Uhr über 1.200 Schülerinnen und Schüler fast wie zu Vor-Corona-Zeiten unterrichtet. Nur die 9. Stunde ist gestrichen, weil voraussichtlich Lehrkräfte fehlen werden. Und anders als vor den Ferien gilt, dass jeder, der zur Risikogruppe zählt, ein Attest vorlegen muss. Brand hat eines zu Hause, aber eingereicht hat sie es nicht. Sie beruhigt sich damit, dass sie in diesem Schuljahr nicht viele Lerngruppen hat und in den Oberstufenkursen mit nur 12 Schülern Abstand halten kann. Es ist nur die sechste Klasse, die ihr Sorgen macht.

Weiterlesen:

https://www.zeit.de/gesellschaft/schule/...schuloeffnungen