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Die Kunst der Schlamperei

#1 von Karl Ludwig , 31.08.2020 13:09

Mir wird (noch) völlig unbekifft, ganz doll schwindelig, wenn ich so überlege, was ich heute nicht alles unterlassen kann. Ein Auge schweift träge umher, das andere schläft noch. Ja! Da! Staubsaugen! Ha! Kann ich auch stilvoll ignorieren. Auf einen Tag (Monat) kommt es nun auch nicht mehr an. Genau so wie das da mit dem Abwasch. Und der Wäscheberg liegt schon ewig vor der Maschine, den will ich doch nicht durch wilden Aktionismus stören. Vielleicht entwickelt sich gerade eine neue Zivilisation in seinem Inneren (this müffeling Gag hatte ich zwar schon, unterlasse aber trotzig das Unterlassen einer Unterlassung).

Meditative Erleuchtungen umkreisen mich wie Planeten ihr Muttergestirn (oder wie Charterflüge, die während der Urlaubszeit in den Warteschleifen über dem Flughafen kreisen, ja, klar, aber diesen wunderschönen Vergleich hatte ich auch schon mal benutzt, integer wie ich bin, glaube ich, und unterlasse ihn jetzt deswegen voll souverän, passt ja auch überhaupt nicht zu Corinna. Diese Corinna kannte ich übrigens mal persönlich. Fast so tödlich wie Corona. Und 19 war sie auch, bis sie 20 wurde). Das Keyboard endlich am Rechner anschließen? Wieso eigentlich? Bis Gestern kam ich auch ohne diesen Scheißadapter klar. Einkaufen? Ach, das delegiere ich doch lahm hinkend. Brauche eh nur Milch und Schokolade. Wie bitte? Soll ich heute mal nicht tun und somit meinem Geschick gerecht werden? Nee, irgend einem Geschick will ich auch nicht gerecht werden. Überhaupt: 'Geschick'. Wer benutzt denn solche Worte heutzutage noch, und warum unterlasse ich das nicht genau so?

Meine Güte. Zur Bank begebe ich auch nicht, weil es mir nicht genehm erscheint z.B.: Etwa die Fahrradreifen vorher aufzupumpen. Nur um dann festzustellen, dass die Bank auch heute jegliche Mitarbeit verweigert – ein Bruder im Herzen, dieses Arschloch.

Ich werde heute nicht die Straßen nach einer Frau durchströmern. Jedenfalls nicht aus den üblichen Gründen. Ich würde bestimmt nicht zufällig auf Elke stoßen, der Frau mit der prächtigsten Bluesröhre in der Kehle – die wohnt leider inzwischen mit geändertem Nachnamen irgendwo ganz woanders. Für die 'Unvollkommene', einer Wahnsinnsversion von 'I put a spell on you' welches sich in meinem Studioprogramm seit geraumer Zeit gelangweilt vor sich hin langweilt. Ach, was es nicht alles gibt, das ich unterlassen kann. Mir wird kaum schwindelfreier, aber das mag auch an den psychoaktiven Wirkstoffen im Kaffee liegen. Morgen lasse ich den Kaffee mal weg und brau mir gleich einen Grastee (mit Schlafmohnköpfchen aber ohne Husten)!

Soll ich die Vorhänge öffnen? Und? Werde ich dann glücklicher sein? Lohnt es sich überhaupt vorher Hose und Hemd anzuziehen (Das macht man so; das habe ich einst gelernt)?

Noch mehr Unterlassungsmöglichkeiten: Heute nicht schamverletzend durch den Stadtpark flitzen. Heute keine Bomben schmeißen. Heute keinen Rasen mähen. Heute keine 5 von 7 Glühbirnen wechseln. Heute keine eine von zwei CPUs austauschen – noch schafft es Elvira, wenn auch mühevoll (meine Rechnerin – bei so vielen Fehlfunktionen kann mein PC nur weiblich sein, aber Chauvinismus ist heute auch nicht so mein Ding) mit einer einzigen funktionierenden CPU so zu tun, als ob sie funktionieren würde. Heute auch keinen Reichstag stürmen (es würde sich ja bei meinem Pech als Erfolg herausstellen).

Auf keinen Fall die Dachtraufe anstreichen. Alleine der Gedanke ist unnötig ermüdend – einfach herrlich. Keine Pflanzen in den Zwischenräumen der Pflastersteine mit Essigsäure begießen. Keiner Nachbarin beim Umzug helfen. Immer gerade etwas auf dem Herd stehen haben, um Gottes Willen, und weiterlaufen, sobald mir jemand von diesen Wiederkäuern begegnen sollte. Ich bin lieber ganz alleine stolz auf meine Toleranz und dem sozialen Kontakt. Einer reicht nämlich und dafür brauche ich keine gequirlte Babypisse von verbalen Umweltrauschen. Das schafft die schizoide Sekundärpersönlichkeit meiner persönlichen narzisstischen Persönlichkeitsstörung problemlos im Allein- … äh … Doppelgang selber.

Auch heute lasse ich ganz viele Leute leben, die das gar nicht verdient haben und meine sehr unterbliebenen Bemühungen gar nicht zu schätzen wissen, obwohl … Na-ja!

Und als voraussagbarer Ausstiegsgag: Natürlich werde ich heute auch keine Geschichte schreiben.

Oder hier ein alternativer Ausstieg aus einer Fingerübung für den Jemanden, der annimmt, er hätte Humor, falls es so einen geben sollte: Wie empfahl doch Luddha: Handeln durch Nichtstun. Oder war es La Kotze? Merkel?

Ich lasse mir einfach keine Schlusspointe einfallen! Genau. (Hatte ich nämlich auch schon häufiger)

Was meinte einst ein Komödiant im Fernsehen? Ein Komiker müsse auch fähig sein, aus dem Berliner Telefonbuch so vorzulesen, dass die Leute vor lauter Lachen nicht mit dem Lachen aufhören können. Dann führte er es life vor. Er fing mit 'Müller' an, - ich aber lag am Boden und zog mir einen Lachmuskelkater zu.

Nun, ich bin natürlich kein Komiker. Ich freue mich lieber und komisch zu sein ist sehr anstrengend. Sagte schon Valentin.

Aber die anderen geben sich ja alle viel Mühe, mich wenigstens zum schmutzigen Grinsen zu bewegen. Heute schon Nachrichten gehört, -sehen, -lesen?

Tz …, tz …, tz …


Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!

Karl Ludwig  
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RE: Die Kunst der Schlamperei

#2 von Sirius , 02.09.2020 12:15

Ja, Karl-Ludwig, das schlimme sind die Dinge und die Menschen um einen herum. Und diese ganz perfide Erwartungshaltung von nahezu jedem Idioten, der nicht mal weiß, dass er einer ist. Dazu gesellt sich meistens schamhaft die eigene Erwartungshaltung, die ich am meisten hasse, weil sie so andauernd - oder wie man in diesem Land jetzt unentwegt sagt: nachhaltig ist.

Ich bin schon froh, dass du schreibst, dass du nicht schreiben magst. Besser als ich, der nicht mehr weiß, wie man schreibt. Für ein Forum ist das scheußlich, so habe ich heute mindestens vier Gedichte nicht geschrieben. Und Satiren schaffe ich nur noch im Zustand tiefster Depression.

Was machen wir bloß, wenn wir selbst gelangweilt nicht mehr sein wollen, wenn wir nur noch konstatieren können, was wir nicht wollen, was bleibt da noch an Emotion übrig, außer der tägliche Stuhlgang?
Am Ende ist immer alles Scheiße und man fragt sich, warum man Depp nur die ganze Zeit so gedrückt hat.

Bleib noch ein wenig so,wie du bist, Karl-Ludwig, und vor allem uns erhalten!

Sirius


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