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Raus aus der Küche!

#1 von Sirius , 22.10.2020 17:31

Raus aus der Küche!

Die Journalistin Mely Kiyak beschreibt ihre Integration als Mensch, nicht als Gastarbeiterkind

Mely Kiyak fordert ihre Leser zum Denken und zur Selbstreflexion heraus: Frausein ist ein vielschichtig komponiertes Essay, scharfsinnig und berührend. In ihrem autobiografischen Text geht es um Migrationserfahrungen, Persönlichkeitsentwicklung und Integration. Die Autorin greift das rechtspopulistische Konstrukt von Identität an, das vermeintlich Anderen genormte, negative Vorstellungen zuschreibt, um sie auszugrenzen und sich selbst darüber als monolithisches Ganzes zu idealisieren. Anhand ihrer eigenen Biografie zeigt Kiyak, dass Identität keine feststehende, unveränderbare Entität ist, sondern das Ergebnis emanzipatorischer Prozesse, die sich im Spannungsfeld von Widersprüchen bewegen, denen gegenüber Klischees und Vorurteile in sich zusammenbrechen.

Alles beginnt mit einer Augenentzündung. Das Spiegelbild der Autorin verschwimmt, sie löst sich auf, dekonstruiert ihre eigene Geschichte. Zurück auf Anfang. Bei Kiyak gibt es aber keine Anfänge, „es gibt nur den Blick zurück“. Sie setzt die Fragmente ihres Lebens aufs Neue zusammen. Das Mosaik einer Person entsteht, Stück für Stück wird das Kind zum Mädchen und zur Frau — einer Frau wohlgemerkt, die sich übers Schreiben definiert. Mely Kiyak ist bekannt für ihre Bücher, Artikel und Kolumnen, in denen sie sich streitbar zum Thema Migrations- und Integrationspolitik äußert.

Die Autorin ist die Tochter kurdischer Einwanderer aus der Türkei, 1976 in Sulingen in Niedersachsen geboren. Ihre Mutter verdingte sich als Putzfrau beim Amtsgericht, ihr Vater als Fabrikarbeiter. Ihnen und anderen in den 1970er Jahren eingewanderten Gastarbeitern wurde das deutsche Leistungsprinzip oktroyiert, ihre Bedürfnisse und Befindlichkeiten spielten keine Rolle: „Arbeiten als Daseinsberechtigung für den Deutschland-Aufenthalt“, sagt Kiyak, nicht ohne einen Hauch von Bitterkeit. In den 1980ern bot der deutsche Staat türkischen Gastarbeitern Rückkehrprämien an, um sie aus den Sozialkassen streichen zu können; wer zurückging, wurde „aus dem Gedächtnis gelöscht“. Ausländerfeindliche Anschläge prägten die 1990er Jahre . Ein rechter Mob bedeutete den Eingewanderten unmissverständlich, verzichtbare Menschen zu sein, die Erzählerin ergo ein verzichtbares Kind. In Solingen töteten Rechtsextremisten 1993 fünf Menschen durch einen Brandanschlag; es waren die Vorboten rechtsextremistischen Terrors gegen Migranten und Juden, gegen die, die als Fremde wahrgenommen und stigmatisiert werden, zuletzt die Anschläge in Halle und Hanau.

Weiterlesen:

https://www.freitag.de/autoren/der-freit...-aus-der-kueche


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Sirius
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