Die Verlassene
Du irrst dich. Glaubst du, dass du fern bist
Und dass ich dürste und dich nicht mehr finden kann?
Ich fasse dich mit meinen Augen an,
Mit diesen Augen, deren jedes finster und ein Stern ist.
Ich zieh dich unter dieses Lid
Und schließ es zu und du bist ganz darinnen.
Wie willst du gehen aus meinen Sinnen,
Dem Jägergarn, dem nie ein Wild entflieht?
Du lässt mich nicht aus deiner Hand mehr fallen
Wie einen welken Strauß,
der auf die Straße niederweht, vorm Haus
Zertreten und bestäubt von allen.
Ich hab dich liebgehabt. So lieb.
Ich habe so geweint .. Mit heißen Bitten ..
Und liebe dich noch mehr, weil ich um dich gelitten,
Als deine Feder keinen Brief, mir keinen Brief mehr schrieb.
Ich nannte Freund und Herr und Leuchtturmwächter
Auf schmalem Inselstrich,
Dem Gärtner meines Früchtegartens dich,
Und waren tausend weiser, keiner war gerechter.
Ich spürte kaum, dass mir der Hafen brach,
Der meine Jugend hielt – und kleine Sonnen,
Dass sie vertropft, in Sand verronnen.
Ich stand und sah dir nach.
Dein Durchgang blieb in meinen Tagen,
Wie Wohlgeruch in einem Kleide hängt,
den es nicht kennt, nicht rechnet, nur empfängt,
Um immer ihn zu tragen.
Gertrud Kolmar
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