Patricia Hempel: Verlassene Nester
Patricia Hempels Wendezeit-Roman "Verlassene Nester" spielt kurz nach der Wende in einem fiktiven Ort bei Magdeburg. Ihr gelingt ein umfassendes Panorama von Menschen, die zutiefst verunsichert sind.
von Danny Marques Marçalo
Es ist 1992. Die Elbe ist nicht weit. Pilly lebt in einem Ort, dessen Industrie nach der Wende ganz unsentimental abgewickelt wird. Auch ihre Familie ist zerfallen, der Vater trinkt, die Mutter ist weg. Die introvertierte Pilly verbringt viel Zeit mit der selbstbewussten Katja. Pilly bemerkt Gefühle an sich, die sie zunächst nicht einordnen kann. Sie verliebt sich in Katja. Und die scheint auch nicht abgeneigt. Sie gehen in der Elbe schwimmen.
Ich tauchte so langsam wie möglich auf Katjas Beine zu, und je näher ich ihnen kam, desto heftiger schlug es hinter meiner Brust.
Trotzdem kann Pilly die letzte Hemmung nie überwinden. Auch weil Katja sich schließlich doch in einen Jungen verliebt. Es ist eine Zeit der großen Verwirrung. "Sie ist in diesem Ort isoliert, in ihrer Familie isoliert, in der Schule wird sie gemobbt. Diese Isolation führt auch zu diesem großen Wunsch, Anschluss zu finden", sagt Autorin Patricia Hempel über Pilly. Sie beschreibt ihre Heldin sehr intim und mit viel Feingefühl.
Das junge Mädchen hat zwar Erwachsene in ihrem Leben, aber die sind mit sich selbst beschäftigt. Das thematisiert der Roman durch Perspektivenwechsel. Während Pilly eine Ich-Erzählerin ist, werden ihr Vater, ihre Tanten, die Nachbarn von einem allwissenden Erzähler beschrieben. Sie bewegt vor allem das, was sie als Bedeutungsverlust ihrer Gemeinschaft wahrnehmen. So beschreibt es der Vater von Pillys Schwarm Katja am Stammtisch, Herr Bergmann.
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