Leserbrief zu Intensivbetten:
Ich arbeite u.A. auch auf einer Intensivstation in Norddeutschland. Wir haben 8 Betten, davon 6 Beatmungsplätze, welche mit dem zur Verfügung stehenden Personal (Pflege) eigentlich nicht bedienen sind. Häufig muss man ein Auge zudrücken, was geforderte Personalstärke auf einer Intensivstation angeht. (Patienten/Pfleger/Schicht < 2,5) Ein Stockwerk niedriger auf der Isolierstation gibt es seit April 6 weitere Beatmungsbetten. …so heißt es zumindest. Die Tür ist abgeschlossen, ich kenne niemanden, die sie gesehen hat und die etwa 12 Intensivpfleger, die man für die 6 Betten bräuchte wären mittlerweile wohl auch hinter dieser Tür verhungert.
Es nervt dadurch gelegentlich intensivpflichtige Patienten durch den Rettungsdienst zu bekommen, welche man eigentlich gar nicht adäquat versorgen kann. Man kann nach außen nämlich nicht kommunizieren, dass die Kapazitäten ausgelastet sind. Formal sind sie es nicht.
Schlussendlich werden wir die Patienten, die zu uns kommen schon versorgen, das aber trotz und nicht dank unserer Geschäftsleitung. Die hat vor wenigen Wochen unsere große Isolierstation (den "grünen" Bereich für Verdachtsfälle) zur geriatrischen Rehastation gemacht hat. Die Räumlichkeiten können so lukrativer genutzt werden (so wurde es sogar begründet).
Beatmete Covidfälle können wir gerade nicht adäquat isolieren. Das ist keine Meinung, das ist Fakt. Das zu ändern würde heißen elektive Operationen und damit eine Einnahmequelle auszusetzen, da man räumliche Umbaumaßnahmen auf der Intensivstation vornehmen müsste. Dann verliert man Bettenkapazität durch Schleusen, welche man für 90 jährige Hüften und so weiter braucht. Ein Schwesterklinikum, welches bisher die beatmungspflichtigen Patienten übernommen hat, hat die Zusammenarbeit an einem Samstag telefonisch eingestellt, ebenfalls um ihr Elektivprogramm nicht zu gefährden. Wirds haarig, ist sich halt jeder selbst der Nächste.
Die Empfehlung, dass Covidpatienten versorgende Personal nicht in Kontakt mit anderen Nicht Infizierten oder Personal aus anderen Abteilungen kommt, ist logischerweise nicht umsetzbar ohne mehr Personal einzusetzen. Dies ist nicht gewünscht. Aus Kostengründe müssen Überstunden abgebaut werden und nicht angesammelt. Ich ziehe mich z.B. auf der Isolierstation (ja die mit den nachgewiesen Infizierten) um, trinke dort meinen Kaffee und gehe danach auf eigentlich alle anderen Stationonen, incl. der Wöchnerinnenstation, um meine Patienten zu versorgen.
Coronatests werden aus Kostengründen beim Personal nicht regelmäßig durchgeführt, obwohl dies gefordert wird (ausgenommen nachgewiesener Kontakt Kategorie I (s.RKI) dann werden wir tatsächlich getestet).
Habe am letzten Woche eigenmächtig bei allem erkältetem Personal in meinem Arbeitsumfeld Schnelltests durchgeführt (Allesamt Kontaktpersonen Kategorie III). Sehe eine reelle Chance dafür noch Probleme zu bekommen, schließlich kostet ein Test erschreckende 6€ im Einkauf. Das war es mir aber wert.
Es macht aktuell einfach keinen Spaß meinen Job zu machen. Das frustriert meine Kollegen und mich. Viele fliehen jetzt mittelfristig in Arztpraxen oder melden sich krank. Hätten wir nicht alle so ein schräges Pflichtgefühl gegenüber den Patienten und verbliebenden Kollegen, obwohl wir am Ende des Tages nur einfache Arbeitnehmer sind, würden wir alle hinschmeißen.
Berentete Ärzte werden aktuell übrigens für die Impfzentren rekrutiert. Möchte ich, dass mein Vater so etwas macht, anstatt zu Hause sich im Social distancing zu üben?
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