Ich bin der Regen
Ich bin der Regen, und ich geh'
barfuß einher von Land zu Land.
In meinen Haaren spielt der Wind
mit seiner schlanken, braunen Hand.
Mein dünnes Kleid aus Spinngeweb'
ist grauer als das graue Weh.
Ich bin allein. Nur hie und da
spiel' ich mit einem kranken Reh.
Ich halte Schnüre in der Hand,
und es sind auf ihnen aufgereiht
alle die Tränen, welche je
ein blasser Mädchenmund geweint.
Sie alle habe ich geraubt
bei schlanken Mädchen, spät bei Nacht,
wenn mit der Sehnsucht Hand in Hand
sie bang auf langem Weg gewacht.
Ich bin der Regen, und ich geh'
barfuß einher von Land zu Land.
In meinen Haaren spielt der Wind
mit seiner schlanken, braunen Hand.
(Selma Meerbaum-Eisinger)
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Ich bin der Weg gen Untergang
Ich bin der Weg gen Untergang,
der blonde Sonnentod,
der braune Hirtenpfeifenklang,
das müde Abendrot.
Mein Bruder, geh du mir nicht nach,
mein Gehn ist nur Vergehn -
häng deinen jungen Glauben nicht
an meine blaue Trän’!
Meine Schönheit ist ein Messer,
sie stößt dir durch das Herz.
In Wein getaucht zwei Lippen:
mein ewig blauer Schmerz.
Meine Sehnsucht - ein Zigeuner
in wildem Windgebell -
eine tote weiße Mutter
auf dunkler Abendschwell.
Mein Bruder, geh du mir nicht nach,
mein Gehn ist nur Vergehn -
häng deinen jungen Glauben nicht
an meine blaue Trän’!
Meine Lust - eine junge Nonne,
sie steht nackt beim Altar,
und ihre heißen Brüste
blühn ihrem blonden Narr.
Mein Glück - ein Regenbogen,
der im Sonnengolde blitzt
und immer bereit ist zu sterben,
noch eh’ man ihn besitzt.
Mein Hass - ein wilder Reiter,
der hält in der Hand ein Seil.
Nur, statt des Feindes würgt er
das eigene Glück in der Eil’.
Mein Bruder, geh du mir nicht nach,
mein Gehn ist nur Vergehn -
häng deinen jungen Glauben nicht
an meine blaue Trän’!
(Selma Meerbaum-Eisinger)
unbedingt anhören:
https://www.youtube.com/watch?v=4CIq-aVCsFs - die Vertonung des Gedichtes von Bettina Wegner
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