Dieser Regen endet nie
1977 schrieb Nicola Pugliese „Malacqua“. Das Buch erfrischt noch heute durch Abstinenz von Plot, Schweiß und Tränen
Es regnet, regnet und regnet. Neapel wird nass. Sturzbäche laufen seine Straßen hinunter, der Bus spritzt den Menschen die Hosen fleckig aus schmutzigen Pfützen. Cafés bleiben leer. Das Erdreich kommt ins Rutschen. Häuser stürzen ein. So viel zum Inhalt. Mehr passiert nicht, aber was soll das schon heißen?
… So aber ist das Leben, auch das von Andreoli Carlo, dessen Name so umgestülpt ist wie die Namen aller hier umhergeisternden Figuren, Nachname zuerst, als wären sie Teile eines Verwaltungsvorgangs, vielleicht schon lange tot, als wären sie nur Symbole ihrer selbst, der Welt fern auf nie ganz erklärliche Weise, so wie eben Andreoli Carlo, eine Art Hauptfigur: grübliger Zeitungsredakteur, dem das Buch einen Prolog gönnt, ehe das Sturzwasser über seine Stadt kommt. Uns Analysejunkies führt sein Vorhandensein in Versuchung. Ließe sich nicht diese untergurgelnde, semidepressive Stadt Neapel als Spiegelbild seiner Seele sehen? Vielleicht gar der des Autors auch: Nicola Pugliese, der nur diesen einen Roman hinterließ. Der nach Abverkauf der ersten Auflage verfügte, dass das Buch nicht mehr neu aufgelegt werde. Warum?
1977 erschien das Buch, in der Antike kennt das Internet sich besser aus als in jenen Tagen. Vergessenes Werk, vergessener Autor, das reicht gerade, um „Kultbuch“ auf den Umschlag zu schreiben. Leicht fällt allen, es das „Porträt einer Stadt“ zu nennen, da ja das klassische Figurenspielwerk hier nicht vorhanden ist und alle sich nur im Regen zu behaupten versuchen, doch hallt durch dieses verwitternde Neapel das Echo einer ganz bestimmten Erzählstimme; vielleicht ja doch der von Andreoli Carlo, der im letzten Kapitel sehr, sehr lange zur Rasur vor dem Spiegel steht, sein älter werdendes Gesicht inspiziert und mit Wasser und Schaum bedeckt, während er das weitere Überleben der Stadt im Regen imaginiert: Man freut sich über einen solchen störrisch verharrenden Erzähler und Erträumer in unserer durchökonomisierten Literaturlandschaft, in der auch dieses Buch sich fragen lassen muss: Kommt es mit einer Handlung daher, welche eine Verfilmbarkeit nahelegt?
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