Kopf oder Bauch
Die CDU ist fünf Monate vor der Bundestagswahl in einer aufreizend desolaten Lage. Sie agiert aber nicht ohne Kalkül
Das oberste personelle und inhaltliche Ziel der CDU war und ist der Machterhalt, sprich: die Besetzung des Kanzleramts. In den 72 Jahren, die seit Gründung der Bundesrepublik vergangen sind, war das in 52 Jahren der Fall. Das soll auch nach der Bundestagswahl am 26. September so bleiben.
Doch der Zustand der CDU fünf Monate vor der Wahl ist alles andere als rosig. Keiner ihrer Minister macht einen guten Job. Die Corona-Krise legt schonungslos offen, wie verbraucht, konzeptlos und korrupt die Partei nach 16 Regierungsjahren ist. Erstmals seit den 1960er Jahren fiel die Zahl ihrer Mitglieder 2020 wieder unter 400.000, was einer Halbierung seit 1990 gleichkommt. Das Durchschnittsalter stieg auf 61 Jahre, der Frauenanteil verharrt bei 26 Prozent. Fast alle Landtagswahlen der vergangenen Jahre bescherten der CDU enorme Verluste, die Kernwählerschaft schrumpft, in vielen Großstädten sowie bei gut ausgebildeten Wählern schmiert sie regelrecht ab. Auf der einen Seite verliert sie an die Grünen, auf der anderen an FDP und AfD.
Der Unmut ihrer meist älteren und durchweg gutbürgerlichen Wählerklientel hat dabei handfeste materielle Gründe und darf nicht bloß als Reaktion auf Gendersternchen und Cancel Culture missdeutet werden: Rasant steigende Immobilienpreise machen den Haus- und Wohnungserwerb als Alterssicherung und Erbmasse zusehends schwieriger, immer häufiger verlangen Banken selbst für moderate Spareinlagen Negativzinsen, die Energie- und Krankenversicherungskosten steigen überdurchschnittlich, Löhne und Altersrenten stagnieren, Besteuerung und Doppelverbeitragung von Renten knabbern am Wohlstand und vergrößern die Sorgen. Erwachsene Kinder benötigen allzu lange die Unterstützung ihrer Eltern. Was aber tut die CDU? Mehr als zwei Jahre quält sie sich und uns mit der Suche nach einem geeigneten Parteivorsitzenden. Noch immer hat sie kein Wahlprogramm für die kommende Bundestagswahl verabschiedet, das neue Grundsatzprogramm, das im Herbst 2020 beschlossen werden sollte, liegt auf Eis, einen vorzeigbaren Kanzlerkandidaten der Union gibt es noch immer nicht.
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