Gerhard Köpf: „Das Dorf der 13 Dörfer“
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Nehmen wir Gerhard Köpf, der 1983 mit dem Preis der Klagenfurter Jury ausgezeichnet wurde, auch späterhin noch Preise einheimste, dessen hochgelobter Roman Die Strecke sogar preisgekrönt verfilmt wurde. Er schrieb weiter, doch abermaliger Erfolg blieb aus. Lag es am häufigen Verlagswechsel? Jedenfalls fand sich weder bei Hanser noch bei Luchterhand oder Piper, wo spätere Bücher von ihm erschienen, ein Verleger, der das Potenzial dieses Erzählers jenseits der Trends und Moden erkannt hätte. So kam er zu Klöpfer und Meyer in Tübingen und jetzt mit seinem neuen Roman Das Dorf der 13 Dörfer in einen kleinen Wiener Verlag.
Köpf ist der Geschichtenerzähler geblieben, der er von Anfang an war, ein „Beschwörer des Imperfekts“, um Thomas Manns Formel aufzugreifen, der auch immer etwas vom Gaukler oder Taschenspieler an sich hat, und auf das Erstaunen seines Publikums aus ist. Er erzählt, als geschähe das längst Geschehene erneut vor unseren Augen und Ohren. Ein Sprechton durchdringt alle seine Sätze, man muss zuhören können, wenn man ihn liest. Der Held und Erzähler von Köpfs Roman ist Rundfunkredakteur, seit mehr als 30 Jahren zuständig für das „Kalenderblatt“. Dieser Erzähler ist eine mehrfach glückliche Erfindung seines Autors. Sie verkörpert das historische Wesen jeder erzählten Geschichte, der erfundenen oder der erinnerten, sie rechnet mit der Stimme als dem wesentlichen Mittel der Vergegenwärtigung. Das scheint paradox bei einem Buch.
Uwe Wittstock schrieb einst schon nach der Lesung Köpfs in Klagenfurt von der „melodischen, rhythmisch schwingenden Sprache“ dieses Autors. Diese Mündlichkeit seines Geschriebenen ist bis heute Kennzeichen seiner Prosa geblieben, eine Kunstfertigkeit, die immer noch fremd wirkt in Deutschland. „Der Deutsche“, so hatte Nietzsche gespottet, „liest nicht laut, nicht für’s Ohr, sondern bloß mit den Augen; er hat seine Ohren dabei ins Schubfach gelegt.“ Geändert hat daran auch die Hausse der Hörbücher nichts, die im Gegenteil das auf die Handlung orientierte Hören fördern – besonders deutlich in der Mode der Hörspielbearbeitungen.
Köpfs Erzähler befreit seine Geschichten aus den Fesseln der Vergangenheit. Wer Ohren hat zu lesen, der hört ihn. Wie im Rundfunk, so behandelt er die Denkwürdigkeiten seines Lebens, vor allem seiner Kindheit. Die erlebte er im „Dorf der 13 Dörfer“, das er jetzt im Auftrag seiner Redaktion noch einmal besucht: „Hier wurde ich geboren, hier hat mich der Herbstwind vom Baum geweht, und hier gibt es viele Plätze, um seltsame Legenden zu verbergen. Sie sind es, die diese Landschaft erschaffen. Oberflächlich betrachtet ist diese Bärenmarkenidylle eine beliebte Urlaubsgegend für die Behäbigen. Man lernt neue Käsesorten kennen oder genießt eine Heu-Kur. Alles ist auf Reha geeicht. (...) Die Hügel und Tobel sind lieblich, die Seilbahnen gemütlich, die Mutterwege asphaltiert.“ Das geografische Mosaik findet sich in der Landkarte des Romans wieder, durch die der reisende Erzähler seinen Kurs nimmt, und es bildet zugleich das Geflecht der großen und kleinen Erinnerungen. Die 13 ist so ganz ohne Gewicht nicht, wie am Anfang des Buches behauptet.
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