Anna Baar „Nil“: Das Ich, ein endlos Ploppen!
Die Entdeckung der „Luftwurzler“ – Anna Baars Roman „Nil“ ringt um die verwandelnde Kraft des Erzählens.
Als wäre das Leben so einfach: sich in einen Fotoautomaten zu setzen, um sodann irgendwo anders anzukommen. Doch derlei „Weltfluchtzellen“ gibt es nur in der Literatur, und selbst dort ist ihr Realitätsstatus unsicher, wie Anna Baars dritter Roman „Nil“ belegt. Zwar wird dieses vermeintliche Tor in ein unbekanntes Reich auch darin immer wieder erwähnt. Ob es allerdings wirklich existiert, ist genauso unsicher wie die Wahrheit über das erzählende Ich.
Beauftragt, das Ende einer Erzählserie für eine Frauenzeitschrift zu schreiben, verliert sich die Protagonistin mehr und mehr in der Narration um ein Pärchen, das an der eigenen amour fou zugrunde geht. Mal taucht die Heldin des Buches, verbunden mit einem Perspektivwechsel, direkt in die Charaktere ein, mal berichtet sie übergangslos von Kindheitserinnerungen, einer Zeit, die einem Gefängnis mütterlichen Fürsorgeradikalismus gleichkam. Was die Ich-Erzählerin inmitten dieser traurigen Episoden immer gehalten hat, war und ist einzig die eskapistische Imagination: „Ich bin das freundliche Ploppen, wenn ein Apfel ins Gras fällt, bin Monster, Märtyrer, Nichts, Form der Unmöglichkeit, Strudel und Projektion, ein Gedicht, das man aufsagt, ohne es zu verstehen. Oder ein Zookrokodil. Alles fließt und flutet in das schöne Wort Nil.“ Ein ziemlich verworrenes Arrangement? Durchaus, denn wie der Verweis auf den ägyptischen Lebensstrom nahelegen soll, befindet sich alles in Bewegung. Nichts erweist sich in dieser haltlosen und sprunghaften Story als so instabil wie das Ich. Seine Rettung lautet Verwandlung, im Traum und in der Sprache.
Das Buch:
Anna Baar: Nil. Roman. Wallstein Verlag, Göttingen 2021. 148 Seiten, 20 Euro.
Weiterlesen:
https://www.fr.de/kultur/literatur/anna-...n-90652472.html
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