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Lisa Krusche: „Unsere anarchistischen Herzen“

#1 von Sirius , 04.06.2021 16:57

Lisa Krusche: „Unsere anarchistischen Herzen“ – Die Hölle, das sind die Eltern

Papa war mal Autonomer: Lisa Krusches Debütroman „Unsere anarchistischen Herzen“ blickt auf die nächste Generation und meidet weder Satire noch Klischee.
Charles, ein Mädchen in den Jahren der Adoleszenz, ist aufgewachsen in Berlin. Großstadt, pralles Leben. Nun sieht sie sich angesichts einer Entscheidung, die ihre Eltern über ihren Kopf hinweg getroffen haben, in eine Hippiekommune in einem Kaff im niedersächsischen Flachland verschleppt. Da gibt es keinen Trost. Zumindest fürs Erste. Später dann über alle Maßen.
Lisa Krusche, geboren 1990 in Hildesheim, lebt heute in Braunschweig und gewann im vergangenen Jahr beim (digital übertragenen) Wettbewerb in Klagenfurt den Deutschlandfunk-Preis. In ihrem nun vorliegenden Debütroman „Unsere anarchistischen Herzen“ arbeitet sie mit dem steten Wechsel der Perspektive zweier Ich-Erzählerinnen in zumeist eher knappen episodischen Abschnitten. Gleich auf den ersten Seiten treibt Charles einen Uber-Fahrer zur Eile an bei der Verfolgung ihres Vaters, der nackt durch Berlin rennt. Der Polizei darf er nicht in die Hände geraten: „Papa war mal Autonomer“.

Charles’ Eltern gehören der Generation nach den 68ern an, Selbstverwirklichung ist auch ihr Lebensprogramm. Der Vater, einst ein vielversprechender Maler, ist inzwischen, in Charles’ Worten, ein armer Irrer; er fabriziert Skulpturen aus Müll, hat sich mit seinem ihm zufolge zu pekuniär orientierten Galeristen verkracht und setzt schließlich sein gesamtes Werk in Brand. Die Mutter ist Yogalehrerin und esoterisch orientiert und betrachtet sich nach politisch kämpferischen jungen Jahren immer noch als Anarchistin. Beide sind in erster Linie mit sich selbst beschäftigt. Die Hölle, paraphrasiert Charles Sartre, sind nicht einfach die anderen, es sind die Eltern.

Das Buch
Lisa Krusche: Unsere anarchistischen Herzen. Roman. S. Fischer, Frankfurt a. M. 2021. 448 S., 23 Euro.

https://www.fr.de/kultur/literatur/lisa-...n-90781033.html


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Sirius
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