Celeste Ng: Unsere verschwundenen Herzen
Mit ihren ersten Romanen landete die US-Amerikanerin Celeste Ng internationale Erfolge. An deren erzählerische Dichte und psychologische Tiefe reicht ihr Buch "Unsere verschwundenen Herzen" leider nicht heran.
Die Vereinigten Staaten in nicht allzu ferner Zukunft: Ein autokratisches Regime ist an der Macht, China gilt als Staatsfeind Nummer 1, weshalb alles asiatische unterdrückt und bekämpft wird. Das gesetzliche Hilfsinstrument dazu heißt PACT - ein Gesetz "zur Erhaltung amerikanischer Kultur und Traditionen".
Es wurde nach einer Wirtschaftskrise erlassen, die das Land in heilloses Chaos gestürzt hatte, wie jedes Kind in der Schule eingebläut bekommt. Auch der zwölfjährige Bird, der allein mit seinem Vater lebt, seit seine Mutter, die Schriftstellerin Margaret Miu, verschwunden ist:
Bird ist mit Berichten darüber aufgewachsen: Wir dürfen das Chaos der Krise nie vergessen, sein Leben lang haben das alle gesagt; wir dürfen nie wieder an diesen Punkt kommen. Aber es ist unmöglich, zu erklären, wie sie sich anfühlte. (…)
Wie soll man das jemandem erklären, der es nicht erlebt hat? Wie soll man Angst jemandem erklären, der noch nie Angst hatte?
Stell dir vor, möchte Margaret ihm sagen. Stell dir vor, dass alles, was du für verlässlich hältst, sich als Schall und Rauch erweist. Stell dir vor, dass alle Regeln nicht mehr gelten.
Bird ist die Hauptfigur in Celeste Ngs dystopischem Roman. Er lebt mit seinem Vater, einem Linguisten, in Harvard in zwei winzigen Zimmern im Studentenwohnheim. Der herausragende Wissenschaftler verrichtet niedere Dienste in der Bibliothek, denn seit seine Frau untergetaucht ist, bemüht er sich, dem autokratischen Regime nicht aufzufallen und nicht mehr mit den Gedichten seiner Frau in Verbindung gebracht zu werden:
Seine Mutter war Dichterin gewesen.
Eine berühmte, hatte Sadie hinzugefügt, und er hatte nur die Schultern gezuckt. Gab es so was überhaupt?
Soll das sein Scherz sein?, sagte Sadie. Alle kennen Margaret Miu.
Sie überlegte.
Naja, sagte sie, jedenfalls kennt jeder ihr Gedicht.
Es heißt wie Ngs Roman "All unsere verschwundenen Herzen", und Bird sieht es als Graffiti im Fahrradtunnel, auf einem Bauzaun oder auf verbotenen Flugblättern. Margaret Mius Vers ist zur Parole der Widerstandsbewegung gegen PACT geworden. Seit das diskriminierende Gesetz maßgeblich wurde, werden Menschen asiatischer Herkunft offen diskriminiert, und was Donald Trump an der mexikanischen Grenze vorführte, als er Immigranten von ihren Kindern trennen ließ, ist im Roman längst Alltag: Kinder aus Familien, in denen noch eigene, womöglich umstürzlerische Gedanken gedacht werden, können ihren Eltern weggenommen werden, so wie Birds Mitschülerin Sadie:
Man hatte sie aus ihrer Familie genommen und bei Pflegeeltern untergebracht, weil ihre Eltern gegen PACT protestiert hatten.
Wusstest du das nicht?, hatte sie gesagt. Worin die Konsequenzen bestehen? Bird. Also, wirklich.
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https://www.ndr.de/kultur/buch/tipps/Uns...e-Ng,ng100.html
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