Dinge, die (endlich oder leider) verschwunden sind
Ich sitze am Tisch und sortiere das Kleingeld aus dem Sparschwein.
Da fällt mir ein Zehn-Cent-Stück zu Boden. Ich greife zu Boden, wühle umher, finde aber nichts. Auf dem Teppich nichts, darunter nichts, nichts unter dem Sofa. Weg. Einfach weg.
Ich alarmiere sofort den Polizei-Notdienst, damit die weiträumig das Viertel absperren, Taschenkontrollen durchführen und Leibesvisitationen vornehmen. Es geht hier schließlich um einen Fall von Entmaterialisierung, eine physische Kraft, die mir schon oft in meinem Leben begegnet ist.
Das Zehn-Cent-Stück bleibt verschwunden, trotz Komplett-Renovierung, Abriss des Hauses mit anschließendem Umzug.
Drei Monate später finde ich es wieder: Es liegt vor einem Kiosk auf dem Kölner Hauptbahnhof.
Noch mal Glück gehabt. Dann hätte ich dort auch wohnen bleiben können.
Manche Dinge verschwinden einfach: Goethe, das Einhorn, das Mammut oder Cindy von Marzahn. Oder Telefonzellen. Manche Dinge hätte ich gerne behalten, wie den Borgward Isabella aus meiner Jugendzeit, die alten Musikboxen aus den Kneipen oder den Grimassenschneider Louis de Funes.
Menschen sterben nun mal, wenn ihnen langweilig wird, Firmen gehen pleite und der Fortschritt sorgt für eine Entromantisierung der Dinge – und des Alltags.
In diesem Faden geht es um Dinge, die einfach so verschwunden sind, wie Huhn in Dosen zum Beispiel, auch mal um Menschen und Autos, was eben gerade weg ist und auch am Kölner Hauptbahnhof nicht wiedergefunden wurde.
„Stille Portiers“ zum Beispiel, also Wegweiser durch Vorderhäuser, Hinterhäuser, Seitenflügel und dazugehörende Etagen, verschwinden nach und nach. Ganz langsam..
Sirius
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Busfahrerfrisur
Ich vermisse sie wirklich, die einheitlichen Busfahrerfrisuren aus dem Welthaarkulturerbe, die leider immer seltener werden.
Eine Weiterentwicklung des Wischmobs, die stromlinienförmige Betonfrisur, mit dem Plastik-Kamm bei jedem Halt zurechtgekämmt.
Kam so ein Mann nackend ins Freibad, wusste jeder sofort: Der Mann ist Busfahrer. Nicht wegen seines Schniedels, sondern wegen seiner exzellenten Frisur.
Kein Drei-Wetter-Taft war notwendig, sondern etwas Zuckerwasser reichte, um sich windschnittig vor dem Lenker zu postieren.
Wie ich schon erwähnte: Ich vermisse sie.
Sirius
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Dankeschön, Leo!
Brieffreunde
Leider habe ich keine Brieffreundin mehr. Ich hatte mal eine in Tirol, in meinen jungen Jahren, eine Kindergärtnerin im Dirndl.
Nun werden nur noch abgehackte Lol-SMSse geschrieben, bei Facebook hat jeder tausende „Freunde“, aber von einen „Mail-Freund“ habe ich noch nie gehört.
Wir schreiben noch immer, aber keine handgeschriebenen Briefe mehr, selbst Liebesbriefe auf Büttenpapier sterben aus.
Wir leben in der Smartphone-Romantik, wo soll das noch enden.
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Meine Brieffreundin Leo hat mir einen Brief geschrieben. Einen BRIEF, keine Mail! Handschriftlich! Heutzutage bekommt ja kaum einer noch einen Einkaufszettel hin, dabei ist Schreiben schön, auch mit der Hand, und ein paar handschriftliche Grüße aus der ungewohnten Klaue sind eine feine Geste.
Schon weil man sieht, dass der Schreiber sich Zeit genommen hat.
Es gibt also noch Menschen, die sich für andere Zeit nehmen.
Leo ist so ein Mensch. Dafür bedanke ich mich herzlich!
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Und ich freue mich, lieber Sirius, dass du meinen Brief eingestellt hast.
Lieben Dank und lieben Gruß
Leo
Schreiben macht schön.
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Und ich freue mich, dass du diesen Faden so originell bereichert hast, Leo! Danke dafür noch mal!
Sirius
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Duschhauben
Sie waren vielseitig einsetzbar: Als Salat-Abdeckung, auf dem Kopf bei Läusen oder bei Regen als Schutz für den Fahrradsattel.
Hape Kerkeling verschenkte sie in seinen Sendungen als Trostpreis. Und die Imker entwickelten sie auch weiter, einschließlich Gesichtsmaske, die leider im Supermarkt nicht Vorschrift war. Sie schützte Wasser- und Dauerwellen und fing Hamster vom Wohnzimmerschrank auf. Nur unter der Dusche wurde sie selten benutzt.
Und dann kam ein Idiot und erfand die Badekappe.
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Lustig dass du das ansprichst Sirius! Erst vor zwei Tagen dachte ich "wo sind die Duschhauben hin?". Ich hätte dringend eine gebraucht zum Übersiedeln. Aber dann hat es doch aufgehört zu regnen.
"Leg dein ganzes Sein in dein geringstes Tun" (Pessoa)
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Von wo nach wo bist du denn hingesiedelt, liebe kama?
Und kommt man da nur mit Duschhauben hin?
Sirius
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Ach, einmal im Jahr siedeln wir mit einem Pferdeanhänger voll Küchen- und Meditationszeug in ein Benediktinerkloster. Mit den Benediktinern haben wir wenig zu tun, aber sie sind nett und ich sag immer extra freundlich "Grüß Gott". Dann lache ich und sie denken dass die Buddhisten halt so fröhlich sind.
Wenn die wüssten!
Mit einem von den 12 flirte ich ein bisschen. Weil es ein schönes Bild ist, der Mann in der langen braunen Kutte und die Frau in ihrem weißen Gewand. Das hat etwas Theatralisches. Und jetzt stell dir zu der Szene noch zwei Duschhauben vor- das wärs!
"Leg dein ganzes Sein in dein geringstes Tun" (Pessoa)
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Ich vermisse die alten Poesiealben, in denen Sprüche standen wie:
Ich habe mich hier angewurzelt,
dass keiner aus dem Album purzelt
oder
Wenn du dann als Großmama
im Lehnstuhl sitzt mit Großpapa
dann denke stets in vollem Glück
an deine Jugendzeit zurück.
Frollein a. wehmütig
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Richtig, liebes Frollein, die Poesiealben sindwohl auch ausgestorben.
Jetzt werden die Sprüche getwittert, nur in einer anderen Sprachen. Seufz!
Danke für deinen Beitrag!
Sirius
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Ja frollein, um die Poesiealben ist wirklich schade!
Edel sei der Mensch,
hilfreich und gut.
Das stand in meinem. Vielleicht in jedem (österreichischen). Und es stimmt ja auch!
"Leg dein ganzes Sein in dein geringstes Tun" (Pessoa)
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