Eva Menasse: „Dunkelblum“
Eva Menasses großer und kluger Roman „Dunkelblum“ über Österreich und uns alle.
Dunkelblum klingt nobler, als es ist. Der erste Teil des Ortsnamens gibt Aufschluss, dazu eine allwissende Erzählerin, aus der es schon im ersten Absatz herausseufzt: „Man wünschte Gott, dass er nur in die Häuser sehen könnte und nicht in die Herzen.“ Denn finster schaut es aus im Innern der Dunkelblumerinnen und Dunkelblumer, wenngleich nicht notwendigerweise finsterer als im Innern anderer Menschen, beispielsweise in Österreich generell, beispielsweise auch in der Welt generell. Allerdings geht es hier schon um Österreich und namentlich um Dunkelblum.
Es wäre den Dunkelblumerinnen und Dunkelblumern gewiss sehr unangenehm, wenn sie das wüssten. „In Dunkelblum haben die Mauern Ohren, die Blüten in den Gärten haben Augen“, aber Verschwiegenheit ist oberstes Gebot. Verschwiegenheit heißt nicht, nicht zu reden, schon gar nicht heißt es, nicht zu schwadronieren, aber man muss in Dunkelblum schon wissen, worüber. Denn: „Wo man in Dunkelblum mit dem Fingernagel kratzt, kommt einem eine Schandtat entgegen“, sagt der Dunkelblumer Toni Malnitz, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Solche gibt es hier auch.
Dunkelblum liegt im Burgenland, die Bedeutung erfassen Auswärtige erst, als eine junge Frau, auch von hier, aber lange schon weg, den kürzesten Witz Österreichs erwähnt: Zwei Burgenländer unterhalten sich auf der Universität. Der Roman ist verortet, der fiktive Stadtplan abgedruckt. Es gab ein Schloss, das seit dem Krieg futsch ist, eine irritierende Leerstelle, die für Dunkelblum typisch ist und auch für Menasses Erzählen, wie wir gleich sehen werden. Die gräfliche Familie ist im Ausland und wohlauf, ihr Besuch in Dunkelblum: eine ex-habsburgische Posse der Extraklasse.
Es gibt das Hotel Tüffer, das von der fleißigen Witwe Resi Reschen geführt wird, aber wo die Namensgeber geblieben sind, weiß von den Jüngeren niemand mehr. Es gibt das Café Posauner, wo die Saufbolde und Nichtsnutze am Stammtisch lungern, wenn sie nicht in der Tüffer-Bar hocken. Böse Buben, erwachsen gewordene Maxe und Moritze, die man noch kennenlernen wird. Es gibt den scharf rechten ungewählten Ortschef Dr. Ferbenz, den überforderten Vizebürgermeister Koreny, den alten, aber immer noch zugezogenen Arzt Dr. Sterkowitz, die verstörte Agnes Kalmar, den stummen Fritz, den jungen Lowetz, der wegen der verstorbenen Mutter heimkehren musste – sie ist, erfährt der Sohn, „in der Früh aufgewacht und war tot“. Es gibt die Malnitzens, gescheite Bauern, zu denen die junge Flocke gehört. Lowetz und Flocke kennen sich von früher, schön, sich jetzt einmal wiederzusehen. Schön für den Leser und die Leserin, im Miterleben zarter, beiläufiger Zuneigung den Glauben an die Menschheit nicht restlos zu verlieren.
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