Arbeitsbedingungen im Tourismus: Mangelware Respekt
Großes Gejammer herrscht in der Gastronomie und der Hotellerie. Es fehlt an arbeitswilligen Fachkräften, behauptet die WKO. Doch fragt man die Beschäftigten, tritt ein ganz anderer Mangel zutage: ein Mangel an Lohn, an tolerablen Arbeitszeiten – und an Respekt.
Wer einmal in einer großen Küche gearbeitet hat, der kennt den dort herrschenden, militärisch anmutenden Kommandoton. Die allgegenwärtige Hektik macht eine klare und deutliche Ansprache nötig, allein schon, um Missverständnissen vorzubeugen. Schließlich ist der Kunde König. Wer das vegetarische Menü bestellt hat, der will am Ende kein Schweineschnitzel serviert bekommen.
Raoul beherrscht die klare Ansprache. Seit 22 Jahren arbeitet er in Österreich als Koch. Raoul ist nicht sein echter Name. Seine wahre Identität wollen wir schützen, denn die Arbeitgeber:innen in der Gastronomie mögen klare Worte nur in der Küche, nicht aber wenn es um eine Kritik des in der Branche vorherrschenden Geschäftsmodells geht. Und kritische Punkte hat Raoul, der von einem ganz anderen Kontinent nach Österreich gekommen ist, so einige anzubringen.
Raoul arbeitet in einem Restaurant für die gehobene Kundschaft, in einem der eher teuren Bezirke Wiens. „Seinen“ Laden bezeichnet er im Gespräch salopp als „Fast-Food-Bude für reiche Leute“. Auch sonst wählt er harte Worte. Sein Chef sei vom Typus „Donald Trump“, der mittels staatlicher Hilfsgelder bislang gut durch die Corona-Krise gekommen sei. „Er hat sechs bis sieben Autos und war lange im Urlaub“, sagt Raoul. Das liege aber teilweise auch an den Besonderheiten des Lokals: „Wir haben viele Stammkund:innen. Der Betrieb wurde auf Abholung und Lieferservice umgestellt. Lokale, die von der Laufkundschaft abhängig sind, können das natürlich nicht genauso machen.“
Im Restaurant seines Chefs arbeitet Raoul „wie ein Volltrottel, 70 bis 80 Stunden pro Woche, manchmal über 300 Stunden im Monat“. Die Entlohnung steht dazu in keinem Verhältnis – wenn sie denn kommt. Denn die Zahlungsmoral ist schlecht. „Ich habe 1.000 Euro offen. Ich habe Weihnachtsgeld offen. Außerdem habe ich 46 Urlaubstage offen. Manche Kolleg:innen haben 100 Urlaubstage offen“, erzählt Raoul. Legal kriegt er 1.600 Euro pro Monat. Der Rest des Lohnes wird „unter dem Tisch“, also schwarz, bezahlt. „Insgesamt kriege ich meistens 2.600 Euro im Monat, manchmal sind es 3.000. Ich kann aber sagen, dass ein McDonald’s-Mitarbeiter in Österreich mehr verdient als ein gelernter Koch.“
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