Viele Grüße, dein Stromanbieter
230.000 Menschen bekamen den Strom abgedreht, in einem einzigen Jahr. Familie Temmen-Maurer drohte das auch – wegen einer Nachzahlungsforderung
Um 4.30 Uhr muss er auf Arbeit sein, also steht Joachim Temmen* um3 Uhr auf. Von montags bis freitags, 40 Stunden arbeitet Temmen. Als Kraftfahrer. Er bringt Staubsauger, Teppichreiniger und allerlei Putzmittel dorthin, wo die Putzkräfte sie brauchen, für eine Reinigungsfirma in Madgeburg.
Temmen wohnt auf einem Dorf in der Nähe, den Transporter darf er nutzen für Hin- und Rückweg zur Arbeit. Temmen schläft nicht so viel, aber arbeitet viel, wofür er leider nicht so viel Geld bekommt. Seine Frau arbeitet zu Hause, erzieht das fünfjährige Kind und schmeißt den Haushalt. Temmens Lohn reicht nicht ganz, deshalb stocken die Temmen-Maurers mit Hartz IV auf, das reicht gerade so, wenn alles wie geplant läuft.
Im Dezember lief es nicht wie geplant. Da bekamen die Temmen-Maurers eine Nachzahlungsforderung von ihrem Stromanbieter. 200 Euro und ein paar Zerquetschte. Temmen und Temmens Lebensgefährtin und ihr fünfjähriger Sohn hatten aber keine 200 Euro und ein paar Zerquetschte. Es war kurz vor Weihnachten, und sie konnten ihre Stromrechnung nicht bezahlen.
„Sehr geehrte Damen und Herren“, hatte der Stromanbieter der Temmen-Maurers im Herbst geschrieben, „sicher haben Sie es schon aus Presse und Medien gehört: Einige von uns nicht beeinflussbare Preisbestandteile haben sich geändert“. Was die Eon-Tochter E wie einfach den Temmen-Maurers mitteilen wollte: Der Arbeitspreis pro Kilowattstunde betrug nun nicht mehr 27,08 Cent, sondern 34,34 Cent. Eine Erhöhung um rund 27 Prozent.
„Wir standen vor einem Riesenproblem, zum Anpumpen kennen wir niemanden, woher also sollten wir das Geld nun nehmen?“ Die Temmen-Maurers schlugen E wie einfach eine Ratenzahlung vor, innerhalb der kommenden Monate wollten sie die Forderung abbezahlen. Wieder gab es Post von E wie einfach, diesmal per Mail: „Liebe Elisabeth“, so heißt Frau Maurer mit Vornamen, „leider können wir für deine Rechnung keinen Ratenplan anbieten. Das tut uns leid. Da es in der Vergangenheit bei dir schon einige Male zu unregelmäßigen Zahlungen gekommen ist, ist ein Ratenplan leider keine Option.“
E wie einfach will die Abschlagszahlungen immer zum Ersten des Monats haben, aber als Temmen im Januar 2020 dorthin wechselte, zahlten sie den Strom erst zum 15. Januar, dem Tag, als sein Lohn kam, und dies verpasste ihnen eben jenen Eintrag, der den Stromanbieter nun dazu verleitete, eine Ratenzahlung über 200 Euro und ein paar Zerquetschte abzulehnen: „Bitte zahle den offenen Betrag von 200 Euro und ein paar Zerquetschten also schnellstmöglich. P.S.: Alle Infos findest du auch in deiner App. Viele Grüße. Dein E-wie-einfach-Team.“
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https://www.freitag.de/autoren/elsa-koes...n-stromanbieter
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