Dilettanten am Werk
Bis heute gilt die Treuhand als Inbegriff aller Übel der Nachwendezeit. Nun werden Akten aus ihrem Inneren öffentlich. Sie zeichnen ein neues Bild der Behörde, die die Volkswirtschaft der DDR privatisieren sollte.
Der Schatz, über den der Historiker Dierk Hoffmann wacht, sieht nicht gerade pompös aus. Aktenordner neben Aktenordner neben Aktenordner. Zusätzlich, sagt er, habe er noch Tausende Seiten in seinem Computer gespeichert. Alles historische Unterlagen aus dem Bestand einer Behörde, die so hart angefeindet wurde wie kaum eine andere vor oder nach ihr. Der Schatz in den Ordnern von Dierk Hoffmann – das sind die Akten der Treuhandanstalt.
Und das, was darin steht, könnte das Bild dieser Behörde verändern. Denn sosehr die Treuhand unter vielen Ostdeutschen im Ruf steht, hinterhältig gewesen zu sein, bösartig, gnadenlos die Wirtschaft der damals neuen Länder abgewickelt zu haben – so war es nicht. Zu diesem Schluss kommt eine Forschungsgruppe um Dierk Hoffmann. Was die Treuhand eher war, zumindest wenn man den Forschern folgt: schlecht organisiert, überfordert. Ausgesprochen dilettantisch. Und von der Bundesregierung mit zu vielen Aufgaben überfrachtet, die eigentlich Politiker hätten lösen müssen. Die sie sich aber lieber vom Leib halten wollten.
Die Treuhand existierte gerade einmal vier Jahre lang, von 1990 bis 1994. Sie war dem Bundesfinanzministerium unterstellt und hatte eine Aufgabe, die schon damals als historisch einmalig galt: eine ganze Volkswirtschaft zu privatisieren. Alle staatlichen Unternehmen der DDR sollte sie verkaufen. Es ging um 8500 volkseigene Betriebe (VEB) mit insgesamt vier Millionen Beschäftigten. Als zwischenzeitliche Verwalterin all dieser Firmen war die Treuhand 1990 die größte Holding der Welt.
Doch statt privatisiert wurde häufig liquidiert. Vorgeworfen wurde der Treuhand deshalb, den Zusammenbruch der ostdeutschen Wirtschaft nicht verhindert zu haben. Und noch mehr als das: Unterstellt wurde ihr auch, falschgespielt zu haben. Betriebe entweder mutwillig plattgemacht oder billig verkauft zu haben, alles im Sinne westdeutscher Kapitalisten. Als "Kolonialbehörde" wurde die Treuhand deswegen bezeichnet, als "Schlachthaus", als "Fortsetzung des Kalten Kriegs mit anderen Mitteln".
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