Mariana Leky: Kummer aller Art
Es gibt ja diese Schriftsteller, die man ständig anderen Leuten aufs Auge drücken will, gefragt und ungefragt. Weil man als Leserin ganz fassungslos darüber ist, wie gut deren Bücher sind, und weil man möchte, dass andere Menschen auch ganz fassungslos begeistert sein sollen beim Lesen, und auch, weil man gerne mit ihnen darüber sprechen möchte, aber bitte möglichst, ohne dabei viele Worte zu benutzen, weil es eigentlich ein Gefühl ist, das man teilen möchte, keine Analyse ("Wie toll ist denn dieses Buch, bitte!" – "Ja, oder? Unfassbar!").
Mariana Leky ist so eine Schriftstellerin, deren Bücher man dauernd verschenkt, unaufgefordert seinen Sitznachbarn im Zug empfiehlt oder ihnen gar ungefragt daraus vorlesen möchte. Weil ihre Sätze so schön sind, die Gedanken so klug und die Vergleiche und Bilder so kunstvoll schräg und gleichzeitig passend. Weil sie die Kunst beherrscht, die Absurditäten im Banalen zu sehen. Weil das Glück in ihren Büchern nie kitschig und das Unglück nie pathetisch ist.
Vor fünf Jahren erschien Lekys Roman Was man von hier aus sehen kann, eine Geschichte über eine Dorfgemeinschaft im Westerwald, die mit dem Tod eines Jungen zurechtkommen muss. Es war Lekys fünftes Buch und ihr erster Bestseller, nächstes Jahr wird die Verfilmung ins Kino kommen, Corinna Harfouch spielt die alte Selma, die weiß, wenn bald jemand stirbt, weil ihr vorher ein Okapi im Traum begegnet.
Nun hat Mariana Leky ein neues Buch veröffentlicht, kein Roman, sondern eine Sammlung literarischer Kolumnen, die erstmals in der Zeitschrift Psychologie Heute erschienen sind. Kummer aller Art lautet der Titel, und Lekys Kolumnen-Ich trifft dort sowohl auf ihren eigenen Kummer als auch auf den ihrer Nachbarn und Verwandten, unter Letzteren herrscht eine hohe Dichte von Psychoanalytikern. Ihre Figuren sind, selbst wenn sie nicht alleine leben, Einzelgänger, die sich mit Dingen wie Schlaflosigkeit, Platzangst, Liebeskummer oder allgemeiner Traurigkeit herumschlagen. Dabei ist Lekys Blick auf den Kummer nie ein verzweifelter, panischer, sondern liebevoll, mitfühlend und melancholisch. Wie in ihrem letzten Roman auch bilden ihre in Alter, Lebenseinstellung und Milieu höchst unterschiedlichen Protagonisten eine Art Schicksalsgemeinschaft, in der man einander zuhört und sich umeinander kümmert. Was erst mal nach seichtem Unterhaltungsroman oder ZDF-Fernsehfilmschmalz klingt, bricht Leky durch Witz, unerwartete Bilder und Vergleiche und über eine nur scheinbar beiläufige Sprache, in der jedes Wort sitzt und jeder Satz das richtige Tempo hat.
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