Rassismus und Antisemitismus bei der Polizei
Eine neue MEDIENDIENST-Recherche zeigt: In fast allen Bundesländern mangelt es an strukturellen Maßnahmen gegen Rassismus und Antisemitismus in der Polizei. Die Themen kommen wenig in der Polizeiausbildung vor. Unabhängige Rassismusstudien laufen bislang nur in drei Bundesländern.
Schwarze Menschen und People of Colour erleben in Deutschland in erheblichem Maße Racial Profiling oder anderweitiges rassistisches Polizeihandeln. Das zeigen Studien und Umfragen der Europäischen Grundrechteagentur, der Ruhr-Universität Bochum und des "Afrozensus". Zudem werden immer wieder in einzelnen Bundesländern rassistische und antisemitische Polizei-Chatgruppen aufgedeckt. Doch was tun Bund und Länder gegen Rassismus und Antisemitismus in den Reihen der Polizeibehörden? Die Unterschiede sind gewaltig, wie eine MEDIENDIENST-Befragung unter den Innenministerien der Bundesländer und der Bundespolizei zeigt.
In der Ausbildung spielt das Thema in den meisten Bundesländern eine geringe Rolle: Nur in fünf Ländern (Baden-Württemberg, Berlin, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen) gibt es eigene Ausbildungs-Module zu Rassismus und Antisemitismus innerhalb der Polizei – etwa zu Racial Profiling. In den übrigen elf Bundesländern und bei der Bundespolizei gibt es keine entsprechenden Module in der Polizei-Ausbildung. Viele Polizeiforscher*innen halten es für wichtig, eigenständige Module zu Rassismus und Antisemitismus innerhalb der Polizei anzubieten und nicht nur beispielsweise zu interkultureller Kompetenz oder zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit allgemein.
Auch in der späteren Laufbahn wird das Thema wenig behandelt: Weder in den Landespolizeien noch bei der Bundespolizei gibt es verpflichtende Fortbildungen zu Rassismus und Antisemitismus in der Polizei. Wenn entsprechende Fortbildungen stattfinden, sind diese freiwillig (Baden-Württemberg, Brandenburg, Hamburg, NRW, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen). In Sachsen etwa gab es 2021 lediglich eine Fortbildung zu Rassismus in der Polizei, die von drei Personen besucht wurde. In Bremen wird es nach Angaben der Antidiskriminierungsreferentin der Polizei ab diesem Herbst verpflichtende Fortbildungen für die knapp 450 Führungskräfte in der Polizei geben.
Für Betroffene von rassistischem Verhalten der Polizei fordern Expert*innen unabhängige Polizei-Beschwerdestellen (auch: "Polizeibeauftragte"). Damit diese Stellen unabhängig arbeiten können, müssen sie von Polizei und Innenverwaltung getrennt sein. Solche unabhängigen Stellen gibt es mittlerweile in 7 von 16 Bundesländern: Baden-Württemberg, Berlin (im Aufbau), Bremen, Hessen (im Aufbau), Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein.
Aber: "Die Polizeibeauftragten sind bisher ineffektiv", sagt Biplab Basu von ReachOut. Er berät Betroffene von Racial Profiling. Bisher würden die Polizeibeauftragten eher die Rolle von Mediator*innen einnehmen, kritisiert Basu. Den Polizeibeauftragten fehlten die Befugnisse, selbst zu ermitteln. Auch hätten sie kaum Personal. Basu kritisiert ferner, dass die Stellen Opfer rassistischer Polizeivorfälle nicht finanziell entschädigen können.
Referent*innen für Antidiskriminierung, die sich um Diskriminierungsfälle in den eigenen Reihen kümmern, gibt es in den meisten Landespolizeien und auch bei der Bundespolizei nicht. Einzige Ausnahmen sind hier Bremen und Schleswig-Holstein sowie das Polizeipräsidium in Frankfurt am Main.
Die Polizeiforscherin Daniela Hunold hält Antidiskriminierungsbeauftragte für dringend erforderlich: "Referent*innen für Antidiskriminierung haben eine starke Wirkung. Sie zeigen, dass die Polizei das Thema ernst nimmt. Vor allem Polizist*innen, die selber von Kolleg*innen Rassismus erfahren, melden sich oft bei solchen Stellen."
Rassismus-Studien sind nicht erwünscht
Seit Jahren fordern Fachleute unabhängige wissenschaftliche Studien zu Rassismus in der Polizei. Solche Studien laufen aktuell jedoch nur in Berlin, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz. In Thüringen wurde jüngst ein Forschungsprojekt beschlossen, das aber noch nicht begonnen hat. In Hamburg sollte es bereits seit 2020 ein Forschungsprojekt geben; es wird allerdings von den Polizeigewerkschaften blockiert. Alle übrigen Bundesländer planen keine unabhängige Rassismus-Studie.
Stattdessen beteiligt sich der Großteil der Bundesländer (Ausnahmen: Baden-Württemberg und Hamburg) an der sogenannten MEGAVO-Studie. Die Studie geht auf den ehemaligen Innenminister Horst Seehofer (CSU) zurück. Sie untersucht vor allem den Alltag, aber auch Einstellungen von Polizist*innen – ist aber keine Rassismus-Studie, wie explizit auf der Website des Forschungsprojekts klargestellt wird.
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https://mediendienst-integration.de/arti..._eid=7a83bdcc66
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