SPIONAGESOFTWARE
Wie Europa seine Bürger überwacht
In vielen Ländern der EU wird Spionagesoftware verwendet und politisch missbraucht. Zu diesem Ergebnis kommt ein Zwischenbericht des Europaparlaments. Er sieht demokratische Rechte in der EU gefährdet.
Als Elon Musk Twitter kaufte, soll EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton sofort gewarnt haben, dass der US-amerikanische Kurznachrichtendienst sich an die Regeln der Europäischen Union halten müsse. Wenn aber europäische Regierungen Spionagesoftware missbrauchten, dann interessiere das die Institutionen in Brüssel kaum, so kritisiert die Berichterstatterin im sogenannten Pega-Komitee des Europaparlamentes, die niederländische Europaabgeordnete Sophie in 't Veld. Dabei sei es eine ernsthafte Bedrohung für die demokratischen Rechte, wenn zahlreiche Mitgliedsländer Pegasus und ähnliche Software unkontrolliert einsetzten und Regierungskritiker, Journalisten und Oppositionelle unter dem Deckmantel der nationalen Sicherheit ausspähten.
Spionagesoftware ist eine europäische Affäre
"Der Missbrauch ist eine gesamteuropäische Affäre", so heißt es im Zwischenbericht der Untersuchungskommission, den Sophie in 't Veld am Dienstag vorlegte. "Mitgliedsländer haben die Spähsoftware gegen ihre Bürger zu politischen Zwecken eingesetzt sowie um Korruption und kriminelle Aktivitäten zu verdecken." Dabei sei keine der nationalen Behörden bereit gewesen, dem EU-Parlament konkrete Auskünfte zu erteilen, man habe sich auf öffentlich zugängliche Quellen stützen müssen.
Trotzdem glaubt das Komitee, eine Menge Fakten zusammengetragen zu haben. "Wenn das Puzzle aus 1000 Teilen besteht, haben wir 900 davon in der Hand", sagt Sophie in 't Veld. Man könne davon ausgehen, dass alle europäischen Mitgliedsländer Spionagesoftware gekauft hätten und manche damit auch lukrativen Handel betrieben. "Zypern und Bulgarien sind die Exportzentren, Irland bietet Steuerarrangements. Und Luxemburg ist das Finanzzentrum für viele Mitspieler unter den Herstellern." Der sogenannte Wiretapper's Ball, das jährliche Treffen dieser Industrie, finde in Prag statt und Malta gelte als bevorzugter Aufenthaltsort für die Protagonisten.
Bekanntestes Beispiel ist dabei die israelische Firma NSO, die die Spionagesoftware Pegasus herstellt, die in Griechenland für einen politischen Skandal sorgte. Das Unternehmen habe eine Präsenz in Zypern und Bulgarien und wickele die Finanzen über Luxemburg ab. Es profitiere vom Binnenmarkt und der Bewegungsfreiheit innerhalb der EU. Der Verkauf der Software sei bewusst undurchsichtig und die Firmenstrukturen komplex, heißt es im vorgelegten Bericht - aber "das Geschäft boomt und ist lukrativ".
Prominentestes Opfer der Ausspähung von Oppositionspolitikern und Journalisten in Griechenland ist der Chef der sozialdemokratischen Pasok-Partei und Europaabgeordnete Nikos Androulakis. Sein Mobiltelephon war mit der Spähsoftware Predator infiziert.
Mittlerweile werden die Listen mutmaßlicher Betroffener immer länger. Am vergangenen Wochenende bestritt Premierminister Kyriakos Mitsotakis einmal mehr, mit den jüngsten Anschuldigungen etwas zu tun zu haben. "Es ist eine Schande zu behaupten", sagte er im Sender ANT1, "der Premierminister habe seine eigenen Minister ausgespäht."
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