Édouard Louis: Anleitung ein anderer zu werden

Édouard Louis' Buch ist weder sehr aufregend geschrieben, noch erzählt es wirklich eine Geschichte. Was es aber transportiert, ist eine Energie. Die Energie der Differenz, die Wut des Wandels.

n, träumte davon, eines Morgens als Frau aufzuwachen, träumte davon, reich zu werden, träumte davon, noch einmal ganz von vorne anzufangen.
Édouard Louis schreibt wieder einmal über sich selbst: schwuler Junge aus der tiefen Provinz, gemobbt von Mitschülern, gedemütigt, von den eigenen Eltern übersehen oder mit Verachtung gestraft. Eddy, wie er sich hier noch nennt, bricht aus, um existieren zu können. Er spielt in der Theater-AG mit, verschlingt Bücher. Und er wechselt die Schule, zieht nach Amiens, bloß weg von zu Hause, dem drohenden Leben in der Fabrik, hinterm Vorgartenzaun, vor der Glotze.
Ich floh vor diesem Schicksal und arbeitete als Bäckereiverkäufer, Wachdienstmitarbeiter, Buchhändler, Kellner, Kartenabreißer im Theater, Aushilfe in einer Anwaltskanzlei, Nachhilfelehrer, Prostituierter, Ferienlagerbetreuer und Proband für medizinische Studien.

Dieses Buch steht immer im Verhältnis zu dem, was nicht ist: Eddy ist nicht akzeptiert, wird immer als letzter in die Fußballmannschaft gewählt, von den anderen Jungs vermöbelt. So erschütternd diese Erlebnisse sind, so ermüdend werden sie beim Lesen. In einer fiktiven Aussprache mit dem Vater versucht er ihm klarzumachen, warum er wegmusste. Warum er ihn verriet.
Muss ich dir den Anfang der Geschichte noch einmal erzählen? Ich wuchs in einer Welt auf, die alles ablehnte, was ich war, und ich empfand es als Ungerechtigkeit.

Leider verliert das Buch diesen mitleidheischenden Bekennerton nie. Édouard Louis erzählt brav seine Jugend und Adoleszenz herunter, fast chronologisch. Am spannendsten wird es, wenn er in ungeschönter Ehrlichkeit schildert, wie er sich selbst trainiert, ja deformiert, um ein anderer zu werden.

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