AUF KOSTEN DER SCHWÄCHSTEN
Deutschland geht weltweit auf Einkaufstour nach Gas und Kohle – als Ersatz für die Lieferungen aus Russland. Das bleibt nicht folgenlos. Eine Spurensuche in Bangladesch, Südafrika und Kolumbien. Von Kay Meiners und Andreas Molitor
So unterschiedlich können Energiesparmaßnahmen sein: In Deutschland sind die Haushalte jetzt aufgerufen, die Heizung nicht den ganzen Tag über laufen zu lassen und die Raumtemperatur in den Büros öffentlicher Gebäude auf 19 Grad zu beschränken. Dagegen helfen dicke Socken und ein warmer Pulli. In Bangladesch wiederum mussten Anfang Oktober 130 Millionen Menschen einen halben Tag lang ohne Elektrizität auskommen. Mit Ausnahme einiger Teile im Nordwesten lag das gesamte Land im Blackout, nachdem als „Sparmaßnahme“ die meisten Kraftwerke des Landes abgeschaltet worden waren.
Es war nicht der erste Blackout oder Brownout in diesem Jahr. Bereits mehrfach standen Fabriken still, das Internet fiel aus, Einkaufszentren und Märkte mussten auf Anordnung der Behörden schließen, und die Moscheen wurden angewiesen, die Klimaanlagen nur während der fünf täglichen Gebete laufen zu lassen.
Auf der Suche nach den Ursachen landet man ziemlich schnell bei den großen Flüssiggastankern, die Bangladeschs Kraftwerke mit Brennstoff versorgen. Das Land bestreitet fast drei Viertel seiner Stromerzeugung mit gasbefeuerten Kraftwerken. Doch seit dem Ausbruch des Ukraine-kriegs können die Energieversorger sich das Gas nicht mehr leisten. Die Europäer, allen voran Deutschland, decken sich in den USA, in Katar und Australien mit Flüssiggas ein, um die Ausfälle bei den Erdgaslieferungen aus Russland halbwegs zu kompensieren – zu nahezu jedem Preis.
Die meisten Länder des Südens können da nicht mehr mithalten. Jene Flüssiggastanker, die bislang Pakistan, Bangladesch, Myanmar oder Indien ansteuerten, begeben sich nun auf den Weg nach Europa. Selbst Schiffe, die bereits unterwegs Richtung Südasien waren, machten kurzerhand kehrt und nahmen Kurs auf Europa. Und die Schwellenländer stehen im Dunkeln. „Die Mengen nehmen wir natürlich auf dem Weltmarkt jemand anderem weg“, sagte Klaus Müller, der Präsident der Bundesnetzagentur, kürzlich in der Talkshow von Markus Lanz. „Es ist in mehrfacher Hinsicht ein furchtbares Dilemma.“
Südafrika könnte ein blühendes Land mit einer stabilen Energieversorgung sein. Doch die Realität sieht anders aus. Politische Versäumnisse, Armut und jetzt die Energiekrise bilden eine schwierige Melange. Noch werden rund 85 Prozent des Stroms mit heimischer Kohle erzeugt. „Doch die südafrikanische Kohleinfrastruktur ist veraltet und steht kurz vor dem Zusammenbruch“, sagt Lebogang Mulaisi, eine junge Ökonomin, die die Politikabteilung des Gewerkschaftsbunds Cosatu leitet. Es gehört zum Alltag, dass die Versorger die Stromversorgung stundenlang kappen.
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https://www.boeckler.de/de/magazin-mitbe...hsten-45643.htm
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