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RE: Meine tägliche Spinnerei

#1 von Karl Ludwig , 20.03.2016 10:08

So was dauerte nunmal seine kleine Weile. In diesem Fall fast 4 Jahre lang. Gesetze mussten angepasst werden, Wahlomaten umprogrammiert, Verzeichnisse unbescholtener Bürger erstellt, neue Verwaltungsabläufe organisiert werden, kurz, am Ende eines Prozesses, der nur eine Legislaturperiode beanspruchte, stand eine konstitutionell-absolute Feudalmonarchie: die 'Cincinnatiele'. Konstitutionell, weil alle zwei Jahre ein neuer Despot gewählt werden sollte. Anders bekäme man die Probleme nicht mehr in den Griff, auch nicht durch parlamentarisches Tot labern. Hier müsse ein klares Konzept her und die Abgeordneten sollen sich endlich einen anständigen Beruf suchen. Und die Lobbyisten gleich mitnehmen.

Jeder Bürger konnte also aus einer Liste, fast so lang wie das Telefonbuch, einen Namen auswählen, dessen Besitzer ihm am meisten zusprach. Natürlich ging ich nicht hin. Wie ich die Deutschen so einschätze, würden sie ja doch nur das falsche Arschloch wählen.

Um so erstaunter war ich, als ich im Fernsehen per Sondermeldung darüber informiert wurde, dass ausgerechnet ich ab nun an der Bundesdiktator sein würde. Nun ja, 'Carolus Ludwikus von Cincinatus aus dem Geschlecht der Saligmannakis' hört sich doch gar nicht mal so schlecht an, oder?

Es klopfte. Dezent, wie von jemandem, der zwar auf sein Vorhandensein hinweisen, aber auch nicht unhöflich erscheinen möchte. „Offen!“ brüllte ich, gegen den Lärm näher kommender Sirenen und dem Flap-flap-flap eines, offenbar über dem Haus schwebenden Hubschrauber an.

Ein halbes Dutzend in Tarnanzüge gekleidete Männer mit harten Gesichtern, die nicht so aussahen, als ob sie viel Spaß vertrügen, stürmte herein und verteilte sich unauffällig in meinem kleinen Zimmer. Es war sogar noch Platz übrig für den Protokollbeamten mit … mit … Federkiel und einer Schriftrolle? „Hier unterschreiben.“

„Ich unterschreibe nix! Bin ich etwa Diktator? Potzblitz, genau, das bin ich. Also schmeiß den Zettel da weg. Aber einen Rat könntest du mir geben: „Was fange ich mit dieser Macht an? Abschaffen? Den anderen Idioten zum gefälligen Missbrauch überlassen? Wie schütze ich mich vor Größenwahn? Als Diktator kann ich auch die Zweijahresnotbremse verbieten. Ich kann sogar verfügen, dass der Zustand quo ante wieder hergestellt wird und nie wieder abgeändert werden darf. Aber das wäre genau so dumm. Wir können nicht sämtliche Eventualitäten voraussehen und im Vorfeld verhindern. Es gibt immer Lücken. Hitler kam legal an die Macht. Und nun habe ich legal noch mehr Macht. Damit kann und will ich nicht klarkommen. Nein Danke.“

„Andere würden ihr Erstgeborenes überfahren, um Kaiser von Deutschland zu werden.“

„Ich weiß. Und zu denen will ich nicht gehören. Aber halt, bevor ihr die Wahl wegen meine Ablehnung wiederholt. Hier meine letzte Präsidialorder: „Ich will endlich mal ein echtes Filett-Steak essen, so eines, wie in Matrix.“


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RE: Meine tägliche Spinnerei

#2 von Sirius , 20.03.2016 19:34

Das sind also deine täglichen Visionen, lieber klsa. Entweder hast du ganz viele Sorgen oder überhaupt keine.
Aber deine Geschichten machen Spaß und deine Wortschöpfungen auch.

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RE: Meine tägliche Spinnerei

#3 von Karl Ludwig , 21.03.2016 06:48

Ich glaube nicht, dass meine Problemchen echten Sorgen sind. Die finden anderswo statt. Ich habe mir ein weitgehendst sorgenfreies Leben zusammen gelogen und spinne halt gerne vor mich hin. Die Frage dahinter lautet natürlich: Wenn ich einen zwischenmenschlichen Vernunfthebel finden würde, wo wäre dann der feste Punkt zu suchen, diesen anzusetzen, um die ganze Scheiße ins Gleichgewicht zu bringen? Gibt es überhaupt so einen Hebel, außer in unseren Hoffnungen? Gibt es überhaupt ein erstrebenswert gerechtes Gleichgewicht der unterschiedlichsten Interessen? Und ausgerechnet ich soll den archimedischen Punkt finden? Klar, mach' ich, ehrlich. Sobald ich hier mit der Quadratur des Kreises fertig bin. O.K.?

Frage zwei lautet de facto: Wüsste überhaupt irgend jemand, wo der Hebel liegt? Ich meine, außer der Allerweltsantwort: 'Liebe'? Klar, Politiker, Kleriker, Mystiker, Fortschrittsgläubige usw. behaupten gerne, den Durchblick mit Soßenlöffeln gefressen zu haben – doch wenn das wirklich so wäre, warum eiert diese Welt dann immer noch um eine schrecklichst verbeulte Achse?

Geben wir es doch zu: Unsere Empörung in allen Ehren, aber den gesellschaftlichen Stein der Weisen hat noch niemand gefunden. Und bis da hin, retten wir halt unseren Arsch, so gut wir vermögen und rechtfertigen können. Und im Rechtfertigen sind wir Menschen unschlagbare Weltmeister!


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