Darin ist sie konsequent, man könnte auch von einer RundUmDieUhrMeditation sprechen und schreiben, denn jede wache Minute betreibt sie 'Satsang' und 'Service', mit einer Hingabe, die den sicheren Sieg über sämtliche Illusionen verheisst.
Das nervt!
Eigentlich mag ich Menschen, die sich ernsthaft mit dem inneren Wesen des Seins befassen. Ja, im Prinzip schon. Da weiß man wenigstens, dass diese gerade keinen Beitrag zum Weltuntergang leisten, sieht man mal von der verbrauchten Luft ab. Ich denke da auch an Säulenheilige, so verdammt heilig, dass sie sich 50 Jahre nicht gewaschen haben, an lachende Buddhafiguren mit Wampe und Hängeohrläppchen, an safrangelb gekleidete Mönche, die ihre Teetasse abdecken, damit sie bloß nicht versehentlich auf eine Fliege beißen, denn davon gibt es natürlich in unmittelbarer Umgebung eines Säulenheiligen jede Menge.
Irgendwie verbreiten Meditierende eine Stimmung wie die Heilsarmee: Irgendwer kümmert sich darum, dass die Welt nicht völlig durchdreht.
Nur! Meine Nachbarin befolgt eine Technik, die auf Garrire Sermo zurückgeht, einer Erleuchteten, der im 17. Jahrhundert 'Theravada' (Bruch mit der Welt) gelang, und eine der wenigen Frauen, die tatsächlich im Nirwana verschwanden und hoffentlich dort auch bleiben.
Als junges Mädchen sollte Garrire Sermo, gegen ihre innerste Überzeugung, eine Abmagerungskur machen, um endlich unter die Haube zu kommen. Sie betete, meditierte, schloss den Kühlschrank ab, - nichts half, bis jemand da oben ein Einsehen hatte und sie mit der erstaunlichen Gabe des permanenten Quasselns ohne Luft zu holen oder etwas zu essen ausstatte.
Es dauerte nur drei Monate und sie war rank, schlank und wurde dennoch nicht geheiratet. (Wundert es wen?) Sie gründetet eine eigene Fraktion, schrieb einige Lebenshilfebücher, erschuf den dreifachen Pfad der sinnlosen Laberei ohne einschränkende Kontrolle durch das Hirn, eine Form des Loslassens von allem Irdischen, besonders von interessanten Zuhörern (Zuhörer, besonders die, welche sich dieses sinnlose Gequatsche antun, finde ich nicht nur interessiert, sondern auch interessant).
Meine Nachbarin bekommt auch Keinen ab, aber man weiß immer, wo sie gerade ist - nur den Ohren nach.
Hört nur: Sie spricht sanftmütig in einer Welt des Kampfes, suchtlos in einer Welt der Süchte. Sie redet leidbefreiend in einer Welt des Leidens. Reden ist ihr das höchste Glück. Gut ist es, eine Quasselstrippe zu sein. Worte erhellen die Welt. Weisheit ist nicht unbedingt Voraussetzung um den Weg zur Erleuchtung zu beschreiten.
Meine Güte. Ob ich mir damit das Karma versaue oder nicht; eines Tages werde ich sie in Notwehr erwürgen. Ich kann kein Fenster aufmachen, ohne dass diese Kuh mit durchdringender Stimme irgendwem Einen erzählt, zur Not, - falls keiner da ist -, textet sie sich selber mit einer dezidierten Erzieherinnenstimme zu:
"Du MUSST diese Blume ..., ach, herrjeh, WO ist denn die Gießkanne, HALLO? Und später WILL ich noch den Busch beschneiden, OH!, mein Gott, wer hat nur tagsüber die Aussenbeleuchtung EINgeschaltet, KEIner hier denkt mal mit, und wenn mehr Kooperation und VERSTÄNDNIS ... ich könnte KEKSE nach einem Rezept von HILDEGARD von BINGEN backen, aber erstmal KANN ich nicht ..., NEIN!, wie sieht denn der Rasenmäher aus ..."
Und hier etwas Ernsteres: Die Illusion der Sanftmut. Ich kenne viele, die von sich behaupten Buddhist zu sein (Was sie aber nicht daran hindert, sich selber ab und an als ziemlich unfriedlich darzustellen).
Ich gucke dann immer leicht verstört, wenn sie darauf hinweisen, wie progressiv up to date sie doch wären, weil sie die Standartreligion in diesen Breiten mit misstrauischer Missachtung strafen würden.
Diese Reduzierung eines Menschen auf seinen Glauben ist mir schlichtweg zu wenig: Ich bin Buddhist. Wie, mehr nicht? Ja, hast du jemals einen eigenen Gedanken gezeigt? Kannst du dich wirklich mit diesem Schwachsinn identifizieren? Glaubst du etwa, so billig davon kommen zu können?
Wisst Ihr was? Bequeme, da gut vorgekaute Ersatzüberlegungen, welche eine wichtige Tatsache verschleiern: Es gibt keinen Trampelpfad zur Wahrheit. Jeder muss seinen eigenen Weg finden. Religionen, auch diese niedlichen asiatischen Spinnereien, sind da eher hinderlich.
Gut. Nehmen wir einfach mal kurzfristig an, dass Buddha tatsächlich dieser Hypererleuchtete war, als den ihn seine Jünger sehen. Frage:
Hatte Buddha etwa einen Guru, der ihm den goldenen Pfad unter die Füsse schob?
Na also!
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Die Sekte der unentwegt redenden Menschen nervt mich auch, Karl Ludwig, vor allem der Belanglosigkeit wegen.
Die Sermo(n) hatte wenigstens einen Kühlschrank, den alle anderen erst zweihundert Jahre später hatten, das muss man als mildernden Umstand werten.
Und ja: Jeder findet seine eigene Illusion, die ihm die Nichtigkeit seiner selbst in eine Wichtigkeit verwandelt, wenn er denn der Illusion folgt. Wir sind halt in unserem Wesen noch nicht ausgereift, die meisten von uns brauchen noch ein höheres Wesen, das ihm erzählt, dass seine Einzigartigkeit bedeutender ist als die einer Küchenschabe. Das wird wohl noch solange anhalten, bis die Sonne ein Einsehen hat, oder auch irgendein Idiot, den wir an den falschen Knöpfen spielen lassen. Auch ohne Götter und Schamanen aller Art können wir uns ja herrlich selbst vernichten.
Deine Geschichte bietet viel Stoff für aufregende Diskussionen, aber leider ist kaum einer da, der Lust aufs Diskutieren hat. Wichtig ist daher nur: Ihr sollt keine anderen Götter neben mir haben. Altes Tacheles-Gebot.
Danke für deinen inspirierenden Beitrag, Karl Ludwig!
Sirius
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