Claudia Schumacher: Liebe ist gewaltig
Claudia Schumacher lässt es in ihrem Roman "Liebe ist gewaltig" nicht an Explosionskraft fehlen, deshalb möchte man ihn zu keinem Augenblick weglegen.
Der Buchumschlag ist ein Hingucker für diesen Roman von Claudia Schumacher. Ein Gesicht mit vollen, knallrot geschminkten Lippen. Nur ein Auge ist zu erkennen, trotzdem ein intensiver Blick, obwohl das ganze Gesicht auf dem Kopf steht. Das Gesicht ist ein Ausschnitt aus einem Ölbild der Malerin Xenia Hausner und das perfekte Pendant für dieses Buch mit dem Titel "Liebe ist gewaltig".
Juli ist in eine Kurklinik eingeliefert worden, mit 17. Sie leidet, in ihren eigenen lakonischen Worten, an einer "generellen Unentschiedenheit, was das Weiterleben betrifft". Konkret: Sie hat sich die Pulsadern aufgeschnitten. Als kleines Mädchen war sie mal die Lieblingstochter, schlagfertig und beweglich, ein Vorzeigekind in der Stuttgarter Vorstadtsiedlung.
In der Wagner-Straße 7 wurde Durchschnittlichkeit verachtet. Wert hatte nur das Herausragende. Wir Kinder wurden zu Größe angehalten, egal in was. Du willst Geige spielen? Gut, vielleicht wirst du Konzertgeigerin. Du willst Rollschuhe? Aber sei schneller als die Nachbarskinder.
Dass Juli mit elf besser rechnen kann als ihr Vater, provoziert ihn. Als sie ausnahmsweise keinen Pokal mitbringt von der Eislaufmeisterschaft, hört er nicht auf, sie zu demütigen. Die blauen Flecken stammen von ihm. Ihren kleinen Bruder hat er, der angesehene Anwalt, krankenhausreif geschlagen. Den Tiefpunkt an seelischer Grausamkeit erlebt Juli, als der Vater ihre Babymaus freigelassen hat - und ihre Mutter war dabei. Von ihr fühlt sich Juli verraten.
Ich hab Mama in die Fresse gegeben. Und zwar richtig. Mit einer Kraft, von der ich bis heute nicht weiß, wo sie herkam. Den ersten Schlag habe ich mit meinem eigenen Kopf gemacht. Ich hab einfach ausgeholt und ihr dann mit voller Wucht meine Birne auf die Stirn gedonnert.
Claudia Schumacher lässt ihre Heldin nicht nur sympathisch aussehen. Das macht einen großen Reiz dieses Romans aus. Nachdem sie selbst zugeschlagen hat, ist Juli noch mehr verstrickt in das Familiensystem. Was sie vorher nicht geschafft hat - zum Jugendamt zu gehen, wenn ihr Vater wieder geprügelt hat -, das schafft sie jetzt erst recht nicht.
Juli macht sich schnell finanziell unabhängig. Als Profi-Gamerin bringt sie es zu internationaler Meisterschaft mit enormen Preisgeldern, ihr Mathestudium absolviert sie nebenbei. Nur noch ab und zu erinnern ihre körperlichen und seelischen Zusammenbrüche an früher. Darüber sprechen kann sie nicht, auch nicht mit ihrer großen Liebe Sanyu. Sanyu erträgt einige Abstürze in dieser Beziehung - als sie aber entdeckt, dass Juli extrem brutale, frauenverachtende Computerspiele zockt, reicht es ihr.
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