Gwendolyn Brook: Maud Martha
Gwendolyn Brooks’ großer kleiner Roman „Maud Martha“, erstmals auf Deutsch.
Dreieindrittel Zeilen genügen Gwendolyn Brooks für eine Verzauberung, dreieindrittel Zeilen und man weiß, dass man dieses Buch lesen möchte, auf der Stelle lesen möchte: „Sie mochte Schokolinsen und Bücher und gemalte Musik (tiefblau und zartsilbern) und den sich wandelnden Abendhimmel, von den Stufen der hinteren Veranda aus betrachtet. Und Löwenzahn.“ Und wenn Sie jetzt vielleicht denken: so großartig, so stimmungsvoll und herrlich assoziationsreich wird es nicht weitergehen – doch, das tut es. Die US-Amerikanerin Gwendolyn Brooks (1917–2000) war Lyrikerin, erhielt für ihre Gedichte 1950 als erste Schwarze den Pulitzer-Preis, und schrieb einen einzigen schmalen, stark autobiografischen Roman: „Maud Martha“, im Original 1953 erschienen. Der Manesse Verlag hat ihn jetzt erstmals in Deutsche übersetzen lassen, Andrea Ott hat die Feinheiten famos hinbekommen.
Maud Martha (man kann davon ausgehen, dass die Titelheldin viele Ähnlichkeiten mit Gwendolyn Brooks hat) ist zuerst noch ein Kind, dann eine junge Frau, verheiratet, mit Kind. Wie hingetupft sind die kurzen Kapitel, verdichtet die Szenen, zartes, auch schillerndes Licht fällt auf bestimmte Lebensereignisse.
Der Roman startet mit „Beschreibung von Maud Martha“, ein Kapitel heißt „Großmutters Tod“, ein anderes „Der erste Verehrer“. Maud Martha hat einen präzisen, leicht spöttischen Blick auf ihre Verehrer, aber auch auf sich selbst. Der erste hat „eine spezielle Art, seine Hände auf eine Frau zu legen. Leicht und gleichzeitig penetrant.“ Kennt nicht jede Frau einen solchen Mann, so viele Jahrzehnte später? Der zweite Verehrer gehört zur „Welt der Universität“, gibt sich wie ein englischer Landedelmann und will einen Hund haben. Sie heiratet dann Paul, einen Mann, der ihr die tollste Wohnung verspricht und mit dem sie dann in einer Kitchenette landet.
Es ist gut, dass eine Anmerkung erklärt, dass Kitchenettes Mini-Apartments waren, dass man sie Mitte des 20. Jahrhunderts in Chicago (wo „Maud Martha“ spielt) und New York einrichtete, um mehr afroamerikanische Familien in die Wohnblocks quetschen zu können. Die Wände sind dünn, Geräusche, alle Gerüche dringen durch, man muss sich die sanitären Einrichtungen mit anderen teilen, „die Toilette war immer besetzt, immer war jemand auf der Toilette“. Nein, zimperlich ist die Lyrikerin nicht, sie beschreibt auch, wie sie ein Töchterchen gebärt, schreit und flucht, „sprachlos vor Verachtung“ ist, dass ihr Mann sich zu drücken versucht, als es losgeht. Dann kommt das Baby raus, „grau und schmierig“, so dass sie im ersten Moment denkt, es sei tot. Aber nein, ein „prächtiges Mädchen“, so der Arzt, für das sich ihr Mann später nicht sehr interessieren wird.
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https://www.fr.de/kultur/literatur/gwend...n-92257747.html
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