Toni Jordan: Dinner mit den Schnabels
Unwiderstehlich komisch beschreibt Toni Jordan in "Dinner mit den Schnabels" einen vom Alltag überforderten Familienvater. Ein sehr turbulenter Roman, obgleich gar nicht viel passiert.
Eine kleine Familie - Vater, Mutter und zwei Kinder - ist gerade in ein kleineres Haus umgezogen, weil die finanzielle Lage sich durch die Corona-Krise verschlechtert hat. Simons Architekturbüro läuft nicht mehr so gut wie ehedem. Nüchtern betrachtet ist er gerade arbeitslos und ohne Einkommen, als seine Schwiegermutter ihn beauftragt, einen Garten neu zu gestalten, damit sie dort eine Familienfeier inszenieren kann. Dazu reist überraschend Monica an, eine Tochter des verstorbenen Schwiegervaters aus zweiter Ehe. Monica ist das, was man in Entbehrung anderer Begriffe ein Naturereignis nennen könnte. Sie stürmt das kleine Haus mit dem Ruf:
Zeigt mir eure Kaffeemaschine, und ich finde mich allein zurecht.
Simons Familie besitzt gar keine Kaffeemaschine. Kein Problem für Monica: Sie zückt ihr Handy und regelt das. Am nächsten Morgen klingelt der Paketbote und bringt das luxuriöseste Espressomaschinenmodell, das zu finden war.
Simon verschiebt die Arbeit an der Gartengestaltung von Tag zu Tag. Es wird immer drängender. Er hat ein Problem damit, überhaupt anzufangen. Sein Grundgefühl ist Überforderung:
Seine Vorfahren hatten die Pest, Seuchen, Hungersnöte und die Fahrt über den Globus überlebt, angekettet im Innern eines leckenden, flohverseuchten Schiffes, weil sie ein Taschentuch geklaut hatten, also verstand er, auf einer geistigen Ebene, dass im großen Getriebe der Welt ein kaputter Kühlschrank kein Problem von monumentalen Ausmaßen war. Aber so fühlte es sich nicht an. Alle diese kleinen Katastrophen des modernen Lebens summierten sich, bis sie den Stresslevel eines Strafgefangenenlagers erreichten.
Wir leiden durchaus mit ihm. Wer fühlt sich heutzutage nicht überfordert vom ganz normalen Leben? Aber es gibt andere Familien, in denen alles vorbildlich, geräuschlos und scheinbar mühelos klappt. Da steht man auf einer geschmackvoll ausgestatteten Terrasse, bekommt köstliche Getränke, der Hausherr grillt, die Kinder sind wohlerzogen und der eigene Neid auf das alles kaum zu bändigen. Simons aufgeschobene Gartenneugestaltung wird zu einem immer größeren Problem. Das Aufschieben erzeugt neuen, eigenen Stress zu dem bereits vorhandenen.
Simons Gehirnzellen fühlten sich erschöpft an, als wären es kleine, sich in sein Gehirn kuschelnde Muskelzellen, die mit winzigen Hanteln zu viele Übungen gemacht hatten.
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https://www.ndr.de/kultur/buch/tipps/Din...,jordan152.html
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