Colm Tóibin: Long Island
Der irische Schriftsteller Colm Tóibin wird immer wieder dafür gelobt, wie gut und einfühlsam er Menschen beschreiben kann. Das ist ihm auch in "Long Island" wieder meisterlich gelungen.
von Maren Ahring
Der Roman "Long Island" knüpft an Tóibíns Roman "Brooklyn" an, der 2010 auf Deutsch herausgekommen war. Darin wird die junge Irin Eilis in den 1950er-Jahren zum Arbeiten nach New York geschickt. Sie lebt sich, geplagt von Heimweh, nur schwer ein, verliebt sich aber schließlich in Tony, den sie heimlich heiratet. Bei einem Besuch in der Heimat trifft sie Jim wieder - und steht vor einer schwierigen Entscheidung: Wird sie zu ihrem Ehemann nach Amerika zurückkehren oder bleibt sie an der Seite Jims in Irland? In "Long Island" setzt Tóibin die Geschichte fort.
Fast 20 Jahre sind vergangen. Eilis lebt mit ihrem Mann in Long Island. Tony arbeitet als Klempner und Eilis als Buchhalterin in einer Autowerkstatt, die beiden haben ein Haus und zwei Kinder. Klingt nach der perfekten Familienidylle - aber der Schein trügt: Tony ist mit einer Frau fremdgegangen, die daraufhin von ihm schwanger geworden ist. Und deren Mann denkt nicht daran, ein fremdes Kind großzuziehen.
Auch Eilis möchte nichts mit dem Kind zu tun haben. Doch Tonys italienische Verwandtschaft sieht das anders: Schwiegermutter Francesca erklärt sich bereit, das Kind aufzunehmen. Obendrein bedrängt durch die Enge der italienischen Großfamilie, die Eilis auch nach vielen Jahren fremd ist, entschließt sie sich, nach Irland zu ihrer Mutter zu reisen, um Abstand zu gewinnen. Und plötzlich hängt die Ehe am seidenen Faden.
Sie wollte nicht, dass er auf sie zukäme oder sie in die Arme nähme. Als sich ihre Augen flüchtig begegneten, tauschten sie einen Blick, der voller Bedauern war und dann, auf seiner Seite, eine Beimengung von Angst enthielt. Sie war froh, als sie sich endlich ins Bett legten und beide das Licht löschten.
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