Joshua Groß: Prana Extrem
Der Weltuntergang ist ein beliebter Topos in der Literatur. Dabei muss es nicht immer unharmonisch zugehen. In "Prana Extrem" erzählt Joshua Groß, wie liebevoll und verwandlungswillig sich der Mensch dem kollabierenden Planeten zuwenden kann.
von Lisa Kreißler
Ein extrem verliebtes Schriftstellerpaar, Lisa und Joshua, verbringt ein Aufenthaltsstipendium in Tirol. Sie schmieren sich beim Wandern den Saft am Wegesrand wachsender Aloe Vera-Pflanzen auf die Gesichter, kichern und verschmelzen im Hotelbett miteinander. Lisa schreibt an ihrem Roman. Joshua, der Erzähler, "schlurcht" Science-Fiction-lesend durch Kurbruck und freundet sich mit Nachwuchsskispringer Michael an. Lisa und Joshua ziehen in die Ferienwohnung von Michael und seiner Schwester Johanna. Die vier haben einen richtig guten Sommer zusammen.
Dieses hübsche, angenehm konsumierbare Autofiktionsangebot dient in Joshua Großs Roman "Prana Extrem" als Schanze zum Absprung in die Tiefenzeit. Sein metaphysisches Programm skizziert der Autor gleich zu Beginn:
Ich will versuchen, mich selbst (und auch alles andere, sofern es meine eingeschränkten Wahrnehmungsfähigkeiten zulassen) neu zu erfahren, um die Verklumpungen, die permanent in mir wirken, auf der tiefstmöglichen Ebene mit außerirdischen Lichtwellen zu fluten, bis meine Charakterpanzer brechen.
Dabei geht es nicht nur um die Auslöschung ansozialisierter Zwänge der Eltern und Großeltern aus dem Geist des Erzählers, kühle, erfolgsorientierte Daseinsstrukturen, es geht um nichts Geringeres als die Erneuerung der Spezies Mensch im Anblick der erodierenden Lebensbedingungen. Rote Riesenlibellen lauern über den Heilquellen. Unbeeindruckt von der viel zu großen Hitze kommen sie immer näher.
Das Skispringen dient als eine Metapher für das Übersichhinauswachsen des Menschen. Die andere Metapher ist die dünne Membran, die Joshua und Co. von der Umgebung abgrenzt: die Haut. Lisa hat ein Faible für High-Level-Hautpflege. Ständig läuft sie mit glitzernden Feuchtigkeitsmasken durchs Zimmer. Joshuas von einer Ärztin als "Reibeisenhaut" diagnostizierte Oberfläche saugt die Feuchtigkeitslotionen im Tiroler Tropensommer ohne sichtbaren Effekt in sich auf. Er leidet an den vielen Mückenstichen und scheint sich immer weniger gegen das Außerhalb abgrenzen zu können.
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https://www.ndr.de/kultur/buch/tipps/Pra...l,gross250.html
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