Camille Laurens: So wie du mich willst
Wie Camille Laurens uns in "So wie du mich willst" immer wieder auf die falsche Fährte führt, wie sie im Spannungsfeld von Fiktion und Fakten die Bälle lustvoll hin- und herwirft - das ist schwindelerregend gut.
von Alexander Solloch
Wer diesen Roman liest, wird bald von einem heftigen Schwindel erfasst, und das ist nicht bloß so dahingesagt: Im Wortsinne schwindelig wird einem beim Versuch, die wirbelwindartig nebeneinanderherfliegenden Erzählstränge und ihr jeweils sehr verspieltes Verhältnis zu Dichtung und Wahrheit zu sortieren. Man könnte verrückt darüber werden!
Verrückt? Was heißt es, verrückt zu sein? Die Welt so zu sehen, wie sie ist. Das Leben ohne Filter zu rauchen. Sich direkt an der Quelle zu vergiften.
Claire Millecam heißt die Frau, die so spricht, die vorläufige Protagonistin des Romans, in deren Nachnamen sich per Anagramm die Autorin eingeschrieben hat. Millecam, das ist Camille, und Claire ist die Frau, in deren Leben überhaupt nichts "klar" ist. Ein Liebesdesaster hat sie anscheinend in den Nervenzusammenbruch getrieben; sie findet sich wieder in einer psychiatrischen Klinik, wo sie ihrem Arzt - widerständig, lustvoll und ganz und gar unzuverlässig - erzählt, was geschehen ist oder geschehen sein soll oder geschehen sein könnte auf ihrem persönlichen Schlachtfeld der Geschlechter.
Warum sollte eine Frau, wenn sie fünfundvierzig wird, sich sukzessive aus der Welt der Lebendigen verabschieden, sich den Stachel der Lust aus dem Körper ziehen (ha, ha, der Stachel! Haben Sie das gehört, Herr Doktor?), sagen wir also besser den Splitter, warum sollten sich die Frauen den Splitter der Lust herausziehen, wenn die Männer dann noch einmal von vorne anfangen, noch einmal Kinder in die Welt setzen und ihr Leben bis zu ihrem Tod neu erfinden? Männer sterben früher. Vielleicht. Aber sie leben länger.
Claire hingegen hört (von einem Mann) den fürchterlichen Satz: "Geh sterben!" Die Literaturwissenschaftlerin hat die 45 längst überschritten und ist damit für die Liebe unbrauchbar geworden, das ist’s, was die Gesellschaft ihr vermittelt. Zwar verwickelt sich Claire auf Facebook in eine Amour fou mit Chris, einem um gut zehn Jahre jüngeren Mann - dies aber mit Hilfe eines Fake-Profils, das sie als Mittzwanzigerin zu erkennen gibt. Der drängende Wunsch des Mannes, sie nicht nur im Netz, sondern auch real zu begehren, führt in die Katastrophe.
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https://www.ndr.de/kultur/buch/tipps/So-...laurens100.html
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